Von einer Sozietät oder einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt könne zwar nicht verlangt werden, den Verbraucher über endgültige finanzielle Folgen der von ihm eingegangenen Verpflichtung zu informieren. Diese können auch auf Umständen beruhen, auf die der Dienstleister keinen Einfluss hat. Aber in einer derartigen Klausel, die der EuGH zum „Hauptgegenstand des Vertrages“ zählt, müssen Angaben enthalten sein, anhand derer der Klient oder die Klientin die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen vermag. Das kann beispielsweise die Schätzung der Stunden sein, die voraussichtlich oder mindestens erforderlich sind, um eine Dienstleistung zu erbringen. Oder die Parteien vereinbaren, dass der Dienstleister in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu ermitteln hat, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind.
Zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klausel
Rechtsmissbräuchlich ist die mangelnde Transparenz einer solchen Klausel allerdings nicht per se, wie der EuGH weiter ausführt – außer wenn innerstaatliches Recht dies so definiert. Ein nationales Gericht muss unter „Berücksichtigung sämtlicher Umstände der Rechtssache“ prüfen, ob ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben vorliegt. Und es muss die Frage klären, ob zum Nachteil des Klienten oder der Klientin ein „erhebliches Missverhältnis“ besteht. Ist die Missbräuchlichkeit festgestellt, muss das nationale Gericht die Klausel für unanwendbar erklären, wenn der Klient nicht ausdrücklich widerspricht. Kann daraufhin der gesamte Vertrag nicht fortbestehen, steht Unionsrecht der Nichtigerklärung nicht entgegen, auch wenn das bedeutet, dass der Dienstleister komplett leer ausgeht.
Nationales Gericht kann nicht selbst Vergütung festlegen
Nur falls diese für den Klienten besonders nachteilige Folgen hätte, kann das Gericht ausnahmsweise die für nichtig erklärte Klausel durch eine dispositive Vorschrift des innerstaatlichen Rechts ersetzen. Allerdings stimmt es nicht mit Unionsrecht überein, wenn das nationale Gericht etwa selbst bestimmt, welche Vergütung für die betreffende Dienstleistung angemessen ist. Grundlage für die Entscheidung des EuGH war ein Fall aus Litauen, wo ein Klient mit einer Rechtsanwaltsgesellschaft fünf Verträge über Rechtsdienstleistungen geschlossen hatte. Die Vergütung sollte sich nach dem Zeitaufwand richten, der Stundensatz belief sich auf EUR 100. Für 2018 und 2019 erbrachte Dienstleistungen stellte die Gesellschaft im März 2019 Rechnungen aus, die der Klient nur zum Teil bezahlte. Daher kam es zum Rechtsstreit über einen Betrag von rund 10.000 Euro. Das erstinstanzliche Gericht gab der Klage nur teilweise statt, die Berufung wurde zurückgewiesen. Die Gesellschaft legte beim Obersten Gericht in Litauen Kassationsbeschwerde ein. Mit den Fragen nach den Erfordernissen der klaren und verständlichen Abfassung einer Klausel und nach den Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit landete der Fall schließlich vor dem EuGH.
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