Setzt sich Deutschland an die Pole Position?
Noch für diese Legislaturperiode plant das Bundesverkehrsministerium ein Gesetz für Robo-Shuttles auf öffentlichen Straßen und autonomes Einfahren in Parkhäuser. Doch noch sind Fragen bei Haftung und Datenschutz offen.
Zwar ist die Vision komplett selbstfahrender Autos in letzter Zeit in immer weitere Ferne gerückt. Die Investitionen, um die technischen Probleme zu überwinden, sind enorm und zusammen mit der Wende zur Elektromobilität kaum zu stemmen. Anders ist die Lage in Bereichen mit überschaubarem Verkehrsgeschehen, etwa in Industriegebieten, auf Flughafen- und Messegeländen oder Strecken in Vororten. In Mannheim und Friedrichshafen am Bodensee sollen bis Mitte 2022 fünf Kleinbusse vollkommen autonom mit Tempo 60 im realen Straßenverkehr fahren. Dahinter steht ein Konsortium aus Herstellern und Zulieferern wie ZF, dessen Tochtergesellschaft 2-Get-There, Forschungseinrichtungen, das Land Baden-Württemberg und Kommunen.
Gesetzentwurf des Bundeskabinetts
Bislang kämpfen Hersteller und Zulieferer bei Pilotprojekten mit einem starren und wenig experimentierfreudigen Rechtsrahmen, der Innovationen ausbremst. Beispielsweise ist die neue Mercedes-Benz-S-Klasse bereits mit Automated Valet Parking (AVP)-Technologie ausgestattet. Sie kann automatisiert in ein Parkhaus einfahren und einen reservierten Stellplatz suchen, während der Fahrer bereits am Flughafen-Terminal eincheckt. Nutzen lässt sich diese Funktion aber erst, wenn der nationale Gesetzgeber vollautomatisiertes Fahren ganz ohne Fahrer erlaubt. Deshalb hat das Bundeskabinett Mitte Februar 2020 den Gesetzentwurf zum autonomen Fahren beschlossen. Nach den Plänen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer soll Deutschland als Mutterland des Automobils soll international Nummer 1 beim autonomen Fahren werden. Der Entwurf beschreibt neben technischen Anforderungen auch Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis durch das Kraftfahrt-Bundesamt, die Genehmigung von Betriebsbereichen wie Parkhäusern, die Zulassung zum regulären Straßenverkehr sowie Datenverarbeitung und Pflichten der am Betrieb beteiligten Personen. Um autonome und automatisierte Fahrfunktionen zu erproben, ist eine Experimentierklausel vorgesehen.
Verantwortung nicht mehr beim Fahrer
„Eine permanente menschliche Überwachung bleibt notwendig, aber nun in Gestalt der technischen Aufsicht“, erklärt Dr. Gerd Leutner, Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland am Standort Berlin und Leiter der Arbeitsgruppe Regulation & Mobilität des Bundesverbands Digitale Wirtschaft: „Als eine Art Leitstelle kontrolliert sie mehrere autonome Fahrzeuge gleichzeitig kontrollieren, um in Grenzfällen einzuschreiten. Etwa indem sie das Umfahren eines Hindernisses im Überholverbot freigibt. In diesem Fall liegt die Verantwortung nicht mehr beim Fahrer, sondern verlagert sich auf die technische Aufsicht.“ Bislang bleibe aber offen, wie viele Fahrzeuge eine solche Leitstelle ähnlich einem Fluglotsen beaufsichtigen kann. Unnötig verteuert werden autonome Peoplemover durch die geplante Versicherungspflicht für die technische Aufsicht, meint Leutner: „Es bleibt unklar, wozu das notwendig ist. Schließlich bleibt es ja bei der Gefährdungshaftung durch den Fahrzeughalter.“ Ist ein technischer Fehler für den Unfall ursächlich, kann der Halter Regress beim Hersteller nehmen. Weil laufend alle relevanten Daten aufgezeichnet werden, lässt sich nachweisen, wer einen Fehler verantwortet.
„Der Entwurf ist durchaus mutig und innovationsfreundlich. Er löst aber das Problem nicht, dass nur Menschen Adressaten von Normen sein können, nicht aber Maschinen. Letztere lassen sich nur über Standards regulieren, ihre Vermenschlichung führt auf die falsche Schiene“, sagt Matthias Hartwig, Leiter Mobilität am Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) in Berlin, der mit anderen Forschungseinrichtungen und Industriepartnern unter anderem juristische Fragen innovativer Mobilitätskonzepte untersucht. Für mehr Rechtssicherheit gelte es umzudenken: weg von den Fähigkeiten der Menschen hin zu einem Mitdenken der externen Infrastruktur intelligenter autonomer Fahrzeuge. Schließlich können vernetzte Fahrzeuge mit Hilfe digitaler Karten und Ampeln um die Ecke blicken. „Roboterautos werden sich stets sklavisch an die StVO halten, wenn sie so konzipiert wurden. Doch sie haben anders als Menschen nur eine beschränkte Interpretationsfähigkeit und können kaum differenzieren. Sie gehen immer davon aus, dass Menschen bis zu einer bestimmten Größe Kinder sein könnten, und erkennen nicht, ob jemand betrunken ist. Folglich kann ein autonomes Auto den von der StVO geforderten Schutz von verletzlichen Straßennutzern nicht eins zu eins umsetzen. Sinnvoller ist zu überlegen: Wie schaffe ich ein vergleichbares Sicherheitsniveau durch Regeln, welche die Stärken von Maschinen nutzen?“, fordert Hartwig. Sind alle Verkehrsteilnehmer besser geschützt sind, weil sich das autonome Fahrzeug stets verkehrsgerecht verhält, brauche es beispielsweise keinen gesonderten Schutz verletzlicher Straßennutzer. „So entlastet man die Maschine von der Anforderung, diese Unterschiedung treffen zu müssen und hat am Ende gleichwohl mehr Sicherheit für alle.“ Was Experten zur Lösung der Probleme vorschlagen und mit welchen Schnittsttellen Hersteller und Zulieferer weiterhin kämpfen, lesen Sie in unternehmensjurist Ausgabe 3/21 ab S. 18. Autorin: Franziska Jandl
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