Fusionskontrolle erfasst auch weniger klassische Übernahmekonzepte

Wie das Bundeskartellamt mitteilt, kann die Übernahme von Mitarbeitenden der deutschen Fusionskontrolle unterliegen. Entscheidend ist neben der sogenannten Transaktionswertschwelle der Umfang der Tätigkeit des Zielunternehmens in Deutschland.
vom 29. November 2024
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Im März dieses Jahres hat Microsoft zwei der Gründer der Inflection AI, das den Chatbot Pi entwickelt und auf den Markt gebracht hatte, eingestellt und damit beauftragt, bei Microsoft den KI-Chatbot Copilot und andere KI-Verbraucherprodukte weiterzuentwickeln sowie die Forschung zum Thema Künstlicher Intelligenz voranzutreiben. Ferner wurden eine nicht ausschließliche Lizenz für die Rechte des geistigen Eigentums von Inflection vereinbart. Microsoft machte den meisten Mitarbeitenden des Technologie-Startups ein Jobangebot, dieser Vorgang soll durch einen Verzicht seitens Inflection auf etwaige Rechte bezüglich der Einstellung der Inflection-Mitarbeiter abgesichert worden sein. Sieben Mitgliedstaaten stellten den Antrag, die Prüfung der Übernahme bestimmter Vermögenswerte an die nach der EU-Fusionskontrollverordnung an die EU-Kommission zu verweisen. Nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Illumina/Grail, dem zufolge Mitgliedstaaten einen Zusammenschluss nicht zur Prüfung an die Kommission verweisen können, wenn sie nach ihren nationalen Fusionskontrollvorschriften nicht für die Prüfung zuständig wären, haben alle sieben Mitgliedstaaten beschlossen, ihren Antrag zurückzuziehen. Die Kommission teilte daher mit, in dieser Sache keine Entscheidung zu treffen.

 

Zu wenig Nutzer des Chatbots in Deutschland

Vor diesem Hintergrund war es nun Aufgabe des Bundeskartellamts, über eine Prüfung des Vorhabens zu entscheiden. Laut eigenen Angaben kam es zu dem Schluss, dass die Übernahme des Personals und die Regelungen zur Nutzung wesentlicher Schutzrechte von Inflection durch Microsoft faktisch eine Übernahme von Inflection durch Microsoft darstellen und als solche der deutschen Fusionskontrolle unterliegen. Das Amt hat allerdings das Verfahren jetzt trotzdem eingestellt. Die nationalen Schwellenwerte für die Prüfung der Übernahme seien in diesem Fall nicht erfüllt, heißt es aus Bonn. Infrage gekommen wäre eine Zuständigkeit nach der so genannten Transaktionswertschwelle, da der Wert der Gegenleistung für die Übernahme über 400 Mio. Euro lag. Und: Das Zielunternehmen muss zum Zeitpunkt der Übernahme bereits in erheblichem Umfang in Deutschland tätig sein. Die Ermittlungen hätten gezeigt, dass dies bei Inflection nicht der Fall war. Die Zahl der Nutzenden des Chatbots Pi in Deutschland wurde vom Bundeskartellamt als nicht hoch genug erachtet.

 

„Acqui-hires“ auf dem Vormarsch  

Das Bundeskartellamt beobachtet laut eigener Aussage vermehrt sogenannte „Acqui-hires“. Bei der Übernahme von hochqualifiziertem Personal mit speziellem Know-how geht das wettbewerbliche Potenzial eines Zielunternehmens auf den Erwerber über. „Betroffen von den Acqui-hires sind insbesondere junge, innovative Unternehmen aus der Digitalbranche wie solche, die mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz befasst sind“, betont Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt. „Mit dem vor einigen Jahren neu geschaffenen Aufgreifkriterium der Transaktionswertschwelle können auch solche Fälle von uns geprüft und gegebenenfalls untersagt werden.“ Der Fall Microsoft/Inflection zeige, dass das deutsche Kartellrecht geeignet ist, auch weniger klassische Übernahmekonzepte in der Digitalbranche zu erfassen.   

 

Copyright Bild: Unsplash / BoliviaInteligente

Beitrag von Alexander Pradka

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