Frage nach Regress des Leitungsorgans nach Kartellrechtsverstoß bleibt offen

Mit Spannung war die Entscheidung des Bundesgerichtshofes erwartet worden, jetzt ist erst mal weitere Geduld gefragt: Die Frage, ob ein Unternehmen, gegen das nach Kartellrechtsverstoß ein Bußgeld ergangen ist, seinen Geschäftsführer in Regresse nehmen kann, liegt nun beim Europäischen Gerichtshof.
vom 14. Februar 2025
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Das Bundeskartellamt verhängte ein Bußgeld in Höhe von 4,1 Millionen Euro gegen eine GmbH, die zu einer Unternehmensgruppe in der Edelstahlproduktion gehört. Außerdem kassierte der Vorstandsvorsitzende der Unternehmensgruppe und Geschäftsführer der GmbH eine persönliche Geldbuße in Höhe von 126.000 Euro. Er beteiligte sich in den Jahren 2022 bis 2015 an einem Preiskartell unter verschiedenen Unternehmen der Stahlindustrie. Diese vereinbarten ein einheitliches Preissystem und stimmten Schrott- und Legierungszuschläge miteinander ab. Aktiengesellschaft und GmbH verlangten von dem Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer Ersatz des gegen die GmbH verhängten Bußgeldes und Ersatz des für die Aktiengesellschaft zur Abwehr des Bußgeldes entstandene IT- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von einer Million Euro. Außerdem begehrten sie die Feststellung, dass er ihnen alle weiteren Schäden zu ersetzen hat, die aus dem Verstoß gegen das Kartellrecht folgen. Er sei für die Geldbuße und alle weiteren finanziellen Schäden verantwortlich und habe durch seine Beteiligung an den Absprachen seine Pflichten als Vorstand und Geschäftsführer verletzt. Das Landgericht Düsseldorf wies die Klagen auf Erstattung des Bußgeldes und der Rechtsverteidigungskosten zurück. Es bejahte allerdings die Ersatzpflicht für weitere aus dem Kartellrechtsverstoß resultierenden Schäden. Die Berufungen beider Seiten beim Oberlandesgericht hatten keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht argumentierte, dass sich die gesellschaftsrechtlichen Regressvorschriften im Verhältnis Gesellschaft und Geschäftsführer nicht auf Kartellbußgelder gegen das Unternehmen erstrecken. Wäre dies so, würde der Zweck des kartellrechtlich zu verhängenden Bußgeldes vereitelt. Damit solle zielgerichtet das Vermögen der Gesellschaft nachhaltig getroffen werden. Aus dem gleichen Grunde könne das Leitungsorgan auch nicht für die zur Abwehr des Bußgelds aufgewendeten finanziellen Ressourcen in die Verantwortung genommen werden. Mit den Revisionen verfolgen Aktiengesellschaft und GmbH ihre Zahlungsanträge weiter, der Geschäftsführer möchte mit der Anschlussrevision die Feststellung seiner Schadensersatzpflicht beschränkt wissen.

 

 

Parallele zu einer EuGH-Entscheidung im Steuerrecht

Der mit dem Fall beschäftigte Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat diese Woche ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet. Die Haftung für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder ergibt sich aus den §§ 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz und 93 Abs. 2 Satz 1 des Aktiengesetzes. Die Beteiligung des Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführers an den Preisabsprachen ist unstreitig eine vorsätzliche Pflichtverletzung. Der Rückgriff auf sein Vermögen könnte allerdings dem Zweck der Verbandsbuße widersprechen, so der BGH. Insofern könnte eine einschränkende Auslegung der Haftungsvorschriften dahingehend geboten sein, dass Unternehmenssanktionen nicht hierunter zu subsumieren sind. Das ist zumindest umstritten. Der BGH verweist auf die Rechtsprechung des EuGH, nach der die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass ihre Wettbewerbsbehörden wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Geldbußen gegen Unternehmen verhängen können, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen. Die Wirksamkeit einer Geldbuße und der dahinterstehende Abschreckungsgedanke könnten beeinträchtigt sein, wenn das Unternehmen die handelnden Leitungsorgane in Regress nehmen könnte. Diese Entlastung ist eigentlich nicht gewünscht. Konkret Bezug nimmt der BGH auf ein Urteil des EuGH aus dem Steuerrecht: Dort hatte dieser dargelegt, dass eine Geldbuße viel von ihrer Wirksamkeit einbüßen könnte, wenn das sanktionierte Unternehmen berechtigt wäre, diese auch nur zum Teil steuerlich abzusetzen.   

 

Bild: Thanks to HIVAN ARVIZU @soyhivan on Unsplash

Beitrag von Alexander Pradka

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