Flugzeug verpasst PassagierDen Ärger einer Flugverspätung kennen viele. Stundenlanges Warten, verpasste Anschlüsse, darauf lässt sich gerne verzichten. Zwei Landgerichte – eines im österreichischen Korneuburg, eines im deutschen Düsseldorf – waren unlängst aber mit ganz anderen Fällen beschäftigt: Da hoben die Maschinen wesentlich früher ab als es der ursprüngliche Plan vorgesehen hatte. Wie ist das zu beurteilen?
Das fragten sich die mit den Fällen befassten Richterinnen und Richter auch – und ersuchten deshalb den Europäischen Gerichtshof um Klarstellung. Unter welchen Voraussetzungen können Fluggäste die in der Verordnung über Fluggastrechte (Nr. 261/2004) vorgesehenen Ansprüche erheben? Im Fokus steht der Ausgleichsanspruch in Höhe von 250, 400 oder 600 Euro – abhängig von der Entfernung. Beklagte waren übrigens Azurair, Corendon Airlines, Eurowings, Austrian Airlines sowie Laudamotion.
Die Stunde entscheidet
Im Dezember legte der EuGH sein Urteil vor. Es lautet: „Ein Flug ist als annulliert anzusehen, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen um mehr als eine Stunde vorverlegt.“ Warum „mehr als eine Stunde“? Nach der Verordnung ist der Fall einer mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundenen Annullierung eines Fluges die Vorverlegung um eine Stunde oder weniger geeignet, das ausführende Luftfahrtunternehmen von seiner Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung zu befreien. Ergo komme es für die Feststellung der Erheblichkeit der Vorverlegung darauf an, ob diese mehr als eine Stunde beträgt.
Unannehmlichkeiten
Der EuGH führt weiter aus, dass die Vorverlegung ab diesem Zeitpunkt für Fluggäste ebenso wie eine Verspätung zu „schwerwiegenden Unannehmlichkeiten“ führen kann. Sie könnten dann nicht mehr frei über ihre Zeit verfügen und die Reise nicht mehr gemäß ihren Erwartungen gestalten. Es könnten erhebliche Anstrengungen notwendig sein, den Flug überhaupt zu erreichen. Und selbst dann sei nicht auszuschließen, dass sie diesen trotzdem verpassen.
Reiseunternehmen
Das ausführende Luftfahrtunternehmen ist in einem solchen Fall zudem verpflichtet, die volle Entschädigung zu zahlen – also je nach Entfernung 250, 400 oder 600 Euro. Die Möglichkeit, die Ausgleichszahlung um 50 Prozent zu kürzen – weil ein Ausweichangebot besteht, mit dem Fluggäste ihr Endziel pünktlich erreichen – besteht hier ausdrücklich nicht. Voraussetzung für den Anspruch ist eine „bestätigte Buchung“ des entsprechenden Fluges. Die ist laut EuGH auch dann gegeben, wenn etwa ein Reiseunternehmen den Beleg ausstellt. Vom Fluggast kann nicht erwartet werden, dass er sich Informationen über die Beziehungen zwischen Reiseunternehmen und Luftfahrtunternehmen beschafft.
Mitteilungspflichten
Die Fluggesellschaft ist im Falle der Annullierung oder Nichtbeförderung verpflichtet, Passagieren die genaue Unternehmensbezeichnung und die Anschrift mitzuteilen, an die der Ausgleichsanspruch zu richten ist. Ebenso sind die Unterlagen, die einzureichen sind, zu bezeichnen. Der genaue Betrag der möglichen Ausgleichszahlung muss hingegen nicht genannt werden. Bildnachweise: © Unsplash / Brina Blum