Europäischer Gerichtshof bestätigt Millionengeldbuße für Canon

Für Unternehmen, die an einem Zusammenschluss von europäischer Bedeutung beteiligt sind, besteht eine Anmeldepflicht für ihr Vorhaben und eine Stillhaltepflicht vor Vollzug. Beim Erwerb einer Toshiba-Tochter hat Canon gegen diese Pflichten verstoßen, wie der Europäische Gerichtshof Mitte Mai bestätigt hat. Es bleibt bei empfindlichen Geldbußen.
vom 31. Mai 2022
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Europäischer Gerichtshof bestätigt Millionengeldbuße für Canon
Für Unternehmen, die an einem Zusammenschluss von europäischer Bedeutung beteiligt sind, besteht eine Anmeldepflicht für ihr Vorhaben und eine Stillhaltepflicht vor Vollzug. Beim Erwerb einer Toshiba-Tochter hat Canon gegen diese Pflichten verstoßen, wie der Europäische Gerichtshof Mitte Mai bestätigt hat. Es bleibt bei empfindlichen Geldbußen.
Den Erwerb führte Canon in einem komplizierten, zweistufigen Verfahren durch: Eine eigens dafür eingerichtete Holding übernahm am 17. März 2016 einige stimmberechtigte Aktien der Toshiba Medical Systems Corporation (TMSC). Canon selbst übernahm gegen Zahlung von knapp 5,3 Milliarden Euro Kaufoptionen auf die verbleibenden stimmberechtigten Aktien. Außerdem sicherte sich Canon die einzige stimmrechtslose Aktie der Toshiba-Tochter. Die Ausübung der Kaufoptionen auf die stimmberechtigten Aktien erfolgte dann in einem zweiten Schritt am 19. Dezember 2016. Gleichzeitig erwarb TMSC die von der Holding gehaltenen Aktien sowie die stimmrechtslose Aktie – mit dieser Transaktion waren die Japaner 100-prozentige Tochter von Canon.
 

Hintergründe des Deals

Das hatten die Parteien so gemacht, weil Toshiba die Veräußerung ihrer Tochter spätestens am 31. März 2016 im Jahresabschluss ausgewiesen haben wollte. Die formale Kontrolle sollte erst dann bestehen, wenn die Wettbewerbsbehörden die erforderlichen Genehmigungen erteilt hätten. Die EU-Kommission vertrat nach entsprechender Prüfung die Ansicht, dass Canon unter Verstoß gegen die Anmelde- und Stillhaltepflichten den Erwerb vorzeitig vollzogen habe und verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt 28 Millionen Euro. Gegen den Beschluss der Kommission ging Canon gerichtlich vor – allerdings ohne Erfolg.
 

Zusammenschluss und Vollzug des Zusammenschlusses

Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofes hatte die Kommission zurecht festgestellt, dass die ständige Rechtsprechung zwischen „Zusammenschluss“ und „Vollzug des Zusammenschlusses“ unterscheidet. Vollendet ist der Zusammenschluss, wenn eine dauerhafte Veränderung der Kontrolle stattfindet. Der Vollzug kann aber schon dann eintreten, wenn die am Zusammenschluss Beteiligten Handlungen vornehmen, die zu einer dauerhaften Veränderung der Kontrolle über das Zielunternehmen beitragen – das kann schon vor dem Erwerb über die Kontrolle sein. Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen die Anmelde- und Stillhaltepflicht vorliegt, ist bereits auf diesen früheren Zeitpunkt abzustellen.
 

Wann liegt Kontrolle vor?

Canon brachte vor, dass die Kommission bei der Überwachung des Zusammenschlusses nicht behindert gewesen sei. Vollständige Kontrolle über TMSC sei erst entstanden, nachdem alle Genehmigungen der Wettbewerbsbehörden vorgelegen hätten. Ein Teilvollzug erfordere aber Teilkontrolle. Der EuGH weist das mit der Begründung zurück, dass Kontrolle erworben sei, wenn eine Einheit die Möglichkeit hat, einen bestimmenden Einfluss auf die Zielgesellschaft auszuüben. Das sei hier der Fall gewesen. Nicht gegriffen hat überdies das Argument, dass es sich bei der zwischengeschalteten Transaktion um einen Teilvollzug gehandelt habe.
 

Einheitlicher Charakter der einzelnen Geschäfte

Der EuGH erwidert, dass sich ein Zusammenschluss durch eine Mehrzahl formal getrennter Rechtsgeschäfte erreichen lasse. In einem solchen Fall habe die Kommission zu prüfen, ob die Geschäfte einen einzigen Zusammenschluss darstellen, weil sie einen einheitlichen Charakter haben. Die Kommission habe zurecht festgestellt, dass Canon ab dem Zeitpunkt der zwischengeschalteten Transaktion die Möglichkeit der Einflussnahme auf TMSC erlangt hatte. Das Unternehmen konnte allein über die Identität des endgültigen Käufers bestimmen.
EuGH, Az. t-609/19Bildnachweise: © IMAGO / STPP

Beitrag von Alexander Pradka

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