EuGH: Kommission muss der Deutschen Telekom Schaden ausgleichen

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die EU-Kommisson auf den rechtsgrundlos entrichteten Teil einer Geldbuße Verzugszinsen zahlen muss. Die Deutsche Telekom bekommt auf diese Weise rund 1,8 Millionen Euro erstattet. Mit ihrer Weigerung verstößt die Kommission gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV.
vom 26. Januar 2022
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EuGH: Kommission muss der Deutschen Telekom Schaden ausgleichenDer Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die EU-Kommisson auf den rechtsgrundlos entrichteten Teil einer Geldbuße Verzugszinsen zahlen muss. Die Deutsche Telekom bekommt auf diese Weise rund 1,8 Millionen Euro erstattet. Mit ihrer Weigerung verstößt die Kommission gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV.
2014 erging ein Beschluss der Europäischen Kommission, nach der die Deutsche Telekom eine Geldbuße in Höhe von über 31 Millionen Euro zu zahlen hatte. Grund hierfür war der Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem slowakischen Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste. Gegen den Beschluss erhob der Konzern Nichtigkeitsklage, zahlte aber 2015 den Betrag. Ende 2018 hatte die Klage teilweise Erfolg und der EuGH reduzierte die Geldbuße um rund 12 Millionen Euro. Die Kommisson erstattete den Betrag, weigerte sich aber, für den Zeitraum von der Zahlung der Geldbuße bis zum Rückerstattungstag Verzugszinsen zu zahlen. Dagegen ging der Telekommunikationsgigant vor.
 

Kein entgangener Gewinn feststellbar

Zwar sieht die mit der Entscheidung beauftragte Kammer entgegen der Ansicht der Telekom keinen entgangenen Gewinn. Letztere habe nicht nachgewiesen, dass sie den „rechtsgrundlos gezahlten Betrag der Geldbuße zwangsläufig in ihre Tätigkeiten investiert hätte.“ Ebenfalls habe sie nicht dargelegt, dass die „Vorenthaltung der Nutzung dieses Betrages sie dazu veranlasst hat, auf bestimmte konkrete Projekte zu verzichten.“ Letztlich sei nicht erkennbar, dass die Telekom nicht über die erforderlichen Mittel verfüge, um eine Investitionsmöglichkeit zu nutzen.
 

„Alle“ Maßnahmen sind zu ergreifen

Der hilfsweise gestellte Schadensersatzantrag wegen eines Verstoßes seitens der Kommission gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV ging hingegen durch. Die Bestimmung sieht vor, dass Organe, deren Handeln durch ein unionsgerichtliches Urteil für nichtig erklärt wird, alle sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben. Nach Ansicht des EuGH sind Verzugszinsen ein „unerlässlicher Bestandteil“ der den Organen obliegenden Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorherigen Standes. Sinn der Verpflichtung sei es, die mit der objektiven Verspätung zusammenhängende Vorenthaltung eines zu zahlenden Geldbetrages pauschal auszugleichen. Die Kommission müsse bei dem Erlass eines Beschlusses, der zu einer Geldbuße führt, besondere Vorsicht walten lassen.
 

Widerspruch zur Abschreckungsfunktion der Geldbuße?

Diese Zahlung der Verzugszinsen steht auch nicht im Widerspruch zur Abschreckungsfunktion einer Geldbuße – wie die Kommission argumentiert. Dazu meint der EuGH, dass der Unionsrichter diese „notwendigerweise berücksichtigt, wenn er von seiner Befugnis zur unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch macht, um die Höhe einer Geldbuße rückwirkend herabzusetzen. Darüber hinaus handele es sich nicht um Ausgleichszinsen, sondern um Verzugszinsen. In der Weigerung, die Zinsen an die Deutsche Telekom zu zahlen, ist daher ein qualifizierter Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV zu sehen, der die außervertragliche Haftung der Union auslöst.
(EuGH, Urteil T-610/19) Bildnachweise: © IMAGO / Rüdiger Wölk

Beitrag von Alexander Pradka

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