Vier Fehler sind es, die der EuGH im Zusammenhang mit der Finanzspritze für die Lufthansa rügt: Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die Fluggesellschaft nicht in der Lage gewesen sei, in Höhe ihres gesamten Bedarfs Finanzmittel auf den Märkten zu beschaffen. Zweitens habe sie keinen Mechanismus verlangt, nach dem die Lufthansa einen Anreiz gehabt hätte, die Kapitalbeteiligung des Staates so bald wie möglich zurückzukaufen. Drittens hat sie fälschlicherweise eine beträchtliche Marktmacht der Airline an bestimmten Flughäfen verneint – und zu guter Letzt habe sie Verpflichtungen akzeptiert, die nicht dazu geeignet waren, einen wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. Drei Elemente umfasste die staatliche Maßnahme, eine Kapitalbeteiligung in Höhe von 300 Millionen Euro, eine nicht in Aktien umwandelbare stille Beteiligung in Höhe von rund 4,7 Milliarden Euro und eine als wandelbares Schuldinstrument konzipierte stille Beteiligung in Höhe von einer Milliarde Euro.
Kein Staffelungsmechanismus für Rückkauf von Aktien
Im Hinblick auf die Finanzmittel stellt der EuGH fest, dass die EU-Kommission anscheinend die mögliche Verfügbarkeit von Sicherheiten, deren Wert und die Bedingungen etwaiger Darlehen, die auf dem Markt für eben diese hätten aufgenommen werden können, nicht geprüft hat. Zumindest lässt sich entsprechendes aus dem Beschluss nicht entnehmen. Außerdem sei keiner Vorschrift zu entnehmen gewesen, dass ein Beihilfeempfänger außerstande sein muss, Finanzmittel in Höhe seines gesamten Bedarfs auf dem Finanzmarkt zu beschaffen. Zu Punkt zwei – Anreiz für Rückkauf – führt das Gericht aus, dass jede Rekapitalisierungsmaßnahme einen Staffelungsmechanismus vorsehen muss. Für die Kommission gab es einen alternativen Mechanismus: Der Staat habe die Aktien zu einem stark reduzierten Preis erworben, wodurch er eine höhere Vergütung erlange als es bei Anwendung eines Staffelungsmechanismus der Fall gewesen wäre. Der EuGH sagt dazu, dass der Staffelungsmechanismus darauf abzielt, möglichst schnell zurückzukaufen. Die Regelung über den Kaufpreis der Aktien solle hingegen sicherstellen, dass der Preis, zu dem der Staat Aktien erwirbt, nicht über dem Marktpreis liegt. Aktienpreise seien Schwankungen unterworfen, insofern sei der Kaufpreis nicht dazu angetan, den Anreiz zum Rückkauf auf Seiten des Beihilfeempfängers zu erhöhen.
Lückenhafte Prüfung der Marktmacht
Bei der Prüfung der beträchtlichen Marktmacht hat die Kommission im Rahmen ihrer Beschlussfassung 2020 darauf abgestellt, wie groß der jeweilige Anteil der Zeitnischen der Lufthansa und ihren Konkurrenten an den betreffenden Flughäfen war und wie die dortige Auslastung insgesamt aussah. Der EuGH führt in seinem Urteil aus, dass sich daraus keine direkten Erkenntnisse ableiten lassen, was die Marktanteile der Lufthansa auf dem Markt für Passagierluftverkehr an diesen Flughäfen angeht. Unberücksichtigt blieben etwa die Zahl der Flüge und der Sitzplätze. Damit habe die Kommission nicht alle notwendigen Faktoren berücksichtigt. Die Verpflichtungen schließlich der Lufthansa betraf die Bereitstellung von 24 Zeitnischen an den Flughäfen von Frankfurt am Main und München an die Konkurrenz. Das Verfahren war in zwei Phasen aufgeteilt, Fluggesellschaften mit Basis an diesen Flughäfen waren in Phase eins ausgeschlossen – darunter auch Ryanair und Condor. Die Kommission hat laut dem Gericht nicht geprüft, ob dieser Ausschluss angemessen war, obwohl diesem die Gefahr innewohnte, den Wettbewerb dort noch stärker als zuvor zu fragmentieren.
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