Der neue § 39a GWB: Bundeskartellamt prüft Übernahme kleiner Unternehmen

Mit dem neu in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingefügten § 39 a hat das Bundeskartellamt ein Instrument zur Hand, unter bestimmten Voraussetzungen jeden Zusammenschluss eines Unternehmens mit einem anderen Betrieb zu überprüfen. Ein aktuelles Beispiel für die Vorgehensweise kommt jetzt aus dem Entsorgungsbereich.
vom 26. Januar 2022
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Der neue § 39a GWB: Bundeskartellamt prüft Übernahme kleiner UnternehmenMit dem neu in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingefügten § 39 a hat das Bundeskartellamt ein Instrument zur Hand, unter bestimmten Voraussetzungen jeden Zusammenschluss eines Unternehmens mit einem anderen Betrieb zu überprüfen. Ein aktuelles Beispiel für die Vorgehensweise kommt jetzt aus dem Entsorgungsbereich.
Betroffen ist die Rethmann-Gruppe mit ihrer Tochtergesellschaft Remondis, Dienstleister für Recycling, Service und Wasser. Der Betrieb gewinnt Rohstoffe aus Abfällen, entwickelt Recyclingprodukte, bietet alternative Energieträger und ist in der Abwasserreinigung aktiv. „In einzelnen Branchen kaufen große Unternehmen in großer Zahl kleine Unternehmen auf, ohne dass das Bundeskartellamt dies prüfen kann. Dies führt zu einem fortschreitenden Konzentrationsprozess, der der Kontrolle des Bundeskartellamts entzogen ist. Wir fürchten, dass dies bei den zahlreichen Aufkäufen durch Rethmann/Remondis in der Entsorgungsbranche der Fall ist“, begründet Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, das Vorgehen der Behörde. Grundsätzlich greift die Fusionskontrolle erst bei einer „gewissen wirtschaftlichen Bedeutung“. Wesentlicher Faktor sind bestimmte Mindestumsätze der beteiligten Unternehmen.
 

Übernahmen unterhalb geltender Umsatzschwellen

Aber: „Genau für diesen Fall hat uns der Gesetzgeber die Möglichkeit gegeben, auch kleine Übernahmen zu überprüfen. Voraussetzung hierfür ist eine spezielle Sektoruntersuchung, die wir jetzt mit Blick auf die Entsorgungswirtschaft und die spezifische Marktposition der Rethmann-Gruppe einleiten.“ Unternehmen können verpflichtet werden, Übernahmen unterhalb der normalerweise geltenden Umsatzschwellen in bestimmten Wirtschaftszweigen anzumelden.
 

Gesetzlich vorgesehene Voraussetzungen

Das setzt voraus, dass der Erwerber in dem im Fokus stehenden Wirtschaftszweig bundesweit einen Anteil von mehr als 15 Prozent der Umsätze erreicht. Außerdem muss das Zielunternehmen im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse in Höhe von mindestens zwei Millionen Euro und mindestens zwei Drittel der Gesamtumsätze in Deutschland erwirtschaftet haben. Und es müssen objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte. Dafür ist die Sektoruntersuchung, die das Bundeskartellamt im Bereich Haushaltsabfälle eingeleitet hat, notwendig.
 

Strukturelles Wettbewerbsproblem in der Entsorgung?

Laut Angaben der Behörde zeigen bisherige Erkenntnisse, dass vor allem „bei der Erfassung verschiedener Sorten von Haushaltsabfällen sowie der Aufbereitung von haushaltsnahen Verpackungen aus Glas die Rethmann-Gruppe bundesweit mit weitem Abstand vor ihren jeweiligen Wettbewerbern zu den marktführenden Anbietern gehört.“ Insbesondere bei der Erfassung der Haushaltsabfälle habe die Anzahl an Wettbewerbern in den Jahren 2014 bis 2018 kontinuierlich abgenommen. In diesem Zeitraum sei es niemandem gelungen, den Abstand zum Marktführer in nennenswertem Umfang aufzuholen. „Wenn Stück für Stück kleinere Wettbewerber, zumeist sind es mittelständische Unternehmen, kontrollfrei aufgekauft werden, kann das in der Gesamtheit ein strukturelles Wettbewerbsproblem sein“, sagt Andreas Mundt.Bildnachweise: © IMAGO / Rüdiger Wölk

Beitrag von Alexander Pradka

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