Datenschutz bremst DigitalisierungDer Digitalverband Bitkom untersucht regelmäßig die mit dem Datenschutz in Verbindung stehenden Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft. Die Ergebnisse für das laufende Jahr spiegeln vielfältige Probleme mit dem Thema wider. An der repräsentativen Umfrage nehmen jedes Jahr rund 500 Unternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von 20 teil.
Sowohl im Wahlkampf als auch unmittelbar nach dem Ausgang der Wahl betonen führende Politiker fast aller größeren Parteien, wie wichtig Innovationen für die Bundesrepublik sind und welch herausragende Rolle der Digitalisierung dabei zukommt. Nun ist Deutschland aber auch uneinig Datenschutzland. Und Fortschritt und Datenschutz sind zwar nicht Gegensätze an sich. Hierzulande besteht aber offensichtlich noch ein großer Harmonisierungsbedarf zwischen den beiden.
Projekte scheitern
Rund drei Viertel der an der Bitkom-Studie beteiligten Unternehmen berichten, dass Innovationsprojekte aufgrund konkreter Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gescheitert sind. 86 Prozent der Firmen geben an, dass sie Projekte wegen Unklarheiten im Umgang mit der DS-GVO gestoppt haben. Am häufigsten betroffen sind der Aufbau von Datenpools, Prozessoptimierungen im Bereich der Kundenbetreuung, Projekte zur Verbesserung der Datennutzung, der Einsatz neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Big Data sowie die Nutzung von Cloud-Diensten. Die Hälfte der Unternehmen sagt: „Deutschland übertreibt es mit dem Datenschutz.“
Kaum Planung möglich
„Dem Datenschutz kommt in der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu. Den Unternehmen fehlt es aber zunehmend an Planbarkeit und Verlässlichkeit“, berichtet Bitkom-Geschäftsleiterin Susanne Dehmel. Das Thema sorge für permanenten Stress und insbesondere kleinere Unternehmen müssten sehr kämpfen. „Betriebe müssen nicht nur europaweit Gerichtsurteile verfolgen und die unterschiedliche Auslegung aus den Mitgliedsstaaten kennen, sondern sich zusätzlich mit 18 verschiedenen Lesarten von Datenschutzaufsichten allein in Deutschland auseinandersetzen.“
Rechtsunsicherheit nimmt zu
Dabei nehmen die Probleme zu: Tatsächlich bezeichnen 78 Prozent der Unternehmen „Rechtsunsicherheit“ als größte Herausforderung – vor zwei Jahren taten das 68 Prozent. Anpassungen bei den Vorgaben beklagen 74 Prozent, nach 59 Prozent im Jahr 2019. Mehr als die Hälfte behindert die uneinheitliche Auslegung innerhalb der EU. Aspekte, auf die ein Betrieb selbst Einfluss nehmen kann, sind zwar nicht zu vernachlässigen, liegen bei den Nennungen aber deutlich zurück und verändern sich im Jahresvergleich auch nur marginal. Lediglich beim Mangel an finanziellen Ressourcen ist ein deutlicher Anstieg – von 18 Prozent 2019 auf 37 Prozent in diesem Jahr – festzustellen. Das dürfte allerdings ein coronabedingter Ausreißer sein. Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung und der Fachkräftemangel pendeln sich auch im Jahresvergleich bei rund einem Drittel ein. An einem Mangel an „Awareness“ scheitern Projekte jedenfalls nicht: nur acht Prozent der Unternehmen berichten von fehlender Unterstützung im Unternehmen – diese Zahl nimmt kontinuierlich ab.
Kritik an Aufsichtsbehörden
Keine guten Noten bekommen hingegen die Aufsichtsbehörden: Zwei Drittel bemängeln fehlende Umsetzungshilfen. 24 Prozent der Firmen geben an, auf die Bitte um Hilfestellung bei der Umsetzung von Datenschutzvorgaben gar keine Antwort bekommen zu haben, weiteren 28 half die Antwort nicht weiter. Dabei ist es nicht so, dass es keinen Bedarf gibt: Nur ein Prozent der an der Studie Beteiligten benötigt laut eigenen Angaben keine Hilfe.
Was die neue Regierung tun muss
Die Forderung von Bitkom und den Unternehmen ist klar: Die neue Bundesregierung, ob nun Jamaika-, Ampel- oder doch wieder große Koalition, muss den Datenschutz neuerlich auf die Agenda setzen. Fast 90 Prozent der Firmen wünschen sich eine Anpassung der DS-GVO, zwei Drittel eine deutlichere Harmonisierung innerhalb der Europäischen Union und eine Angleichung der föderalen Gesetze in Deutschland. Sechs von zehn Unternehmen befürworten jeweils die Abschaffung der Landesdatenschutzbehörden und einen besseren Zugang zu Daten der öffentlichen Hand. Damit bleibt eine Baustelle offen, die schon längst geschlossen sein könnte. Bildnachweise: © Unspleash / Franki Chamaki