Das Recht auf „Vergessenwerden“

Das Internet vergisst nichts, heißt es. Was einmal seinen Weg hinein gefunden hat, kommt so schnell nicht wieder heraus. Das heißt aber nicht, dass wir schutzlos sind: Wenn Angaben offensichtlich und nachweisbar unrichtig sind, sind Google & Co. zur Löschung verpflichtet. Das hat der Europäische Gerichtshof auf Ersuchen des Bundesgerichtshofes festgelegt.
vom 13. Dezember 2022
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Zwei Geschäftsführer einer Gruppe von Investmentgesellschaften stellten fest, dass verschiedene Artikel im Netz unrichtige Angaben zum Anlagemodell der Gruppe enthielten. Zu diesen Beiträgen gelangten Nutzer, wenn sie bei Google die Namen der Geschäftsführer eingaben und die angezeigten Links anklickten. Ebenfalls angezeigt waren Vorschaubilder von ihnen, so genannte „thumbnails“. Diese wurden allerdings nur als solche angezeigt, ohne den Kontext der Veröffentlichung auf der verlinkten Internetseite wiederzugeben. Die beiden verlangten von Google, die Artikel „auszulisten“ und die Fotos zu löschen, damit kein Interessent an den Informationen mehr falsche Vorstellungen vom Anlagemodell bekommt. Beide Begehren lehnte der Suchmaschinengigant ab. Artikel und Fotos stünden in einem beruflichen Kontext und außerdem sei nicht bekannt gewesen, dass die Artikel unrichtige Angaben enthielten.  

Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip

Der Bundesgerichtshof hat die Kolleginnen und Kollegen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) ersucht, die Datenschutz-Grundverordnung, die das Recht auf Löschung regelt, und die Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auszulegen. Der EuGH weist in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern „im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss. Die Datenschutz-Grundverordnung sagt nämlich auch, dass das Recht auf Löschung ausgeschlossen ist, wenn die Verarbeitung beispielsweise für das Recht auf freie Information erforderlich ist. Wobei von vorneherein die Privatsphäre einen höheren Schutzgrad aufweist als das Informationsrecht Dritter.  

Antragsteller muss Beweise für Unrichtigkeit vorbringen

Wenn nun aber wie im vorliegenden Fall ein zumindest für den gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil der in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig ist, muss das Informationsrecht zurücktreten. Den Beweis, dass die Angaben unrichtig sind, muss dabei die Person erbringen, die die Löschung oder Auslistung begehrt. Dabei geht es um Beweise, die sie vernünftigerweise auch erbringen kann, über Gebühr belastet werden darf sie mit der Aufgabe nicht. Sie muss also nicht etwa eine gerichtliche Entscheidung gegen den Betreiber der Webseite, auf der die Artikel zu finden sind, vorlegen. Wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die belegen, dass die in dem bei Google aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig sind, ist der Suchmaschinenbetreiber zur Auslistung verpflichtet. Das gilt umso mehr, wenn eine gerichtliche Entscheidung vorliegt, die das feststellt. Was den Löschungsantrag im Hinblick auf die Bilder angeht, stellt der EuGH fest, dass die nach einer namensbezogenen Suche erfolgende Anzeige der Fotos einen besonders starken Eingriff in die Rechte der abgebildeten Person auf Schutz des Privatlebens und der personenbezogenen Daten darstellen kann. Der Suchmaschinenbetreiber muss prüfen, ob die Anzeige erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben. Der EuGH stellt dazu fest, dass dem Informationswert der Fotos unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, Rechnung zu tragen ist.

 

Copyright Bild: Unsplash, Rodion Kutsaiev

Beitrag von Alexander Pradka

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