In dem als „Scraping“-Komplex bekannt gewordenen Fall hatte ein Datenleck bei Facebook für die öffentliche Verbreitung personenbezogener Daten von über einer halben Milliarde Menschen gesorgt, darunter auch zahlreiche in Deutschland. Viele von ihnen machten Schadensersatzansprüche geltend und begründeten diese mit dem Kontrollverlust über die eigenen Daten und den daraus entstandenen Ärger. Seit dem 31. Oktober kann der Bundesgerichtshof ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren machen. Vor diesem Datum konnte der BGH konnte wegen der Bindung an den Willen der streitenden Parteien keine Entscheidung mehr fällen, wenn die Revision zurückgenommen wurde. Seit der Einführung des Leitentscheidungsverfahrens ist das nun anders und die „Flucht aus der Revision“ vermag nicht mehr die Klärung wesentlicher Rechtsfragen zu verhindern. Mit der neu geschaffenen Vorschrift des § 552b der Zivilprozessordnung (ZPO) kann der BGH ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen, wenn die Revision Rechtsfragen aufwirft, deren Entscheidung für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist. Das war beim Scraping-Komplex der Fall.
100 Euro für den Kontrollverlust
Der BGH führt aus, dass nach der für die Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung ein immaterieller Schaden im Sinne der Norm sein kann. Weder müsse insoweit eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten zum Nachteil des Betroffenen erfolgt sein noch bedürfe es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen. Erfolg hatte die Revision auch, soweit das Oberlandesgericht Köln die Anträge des Klägers auf Feststellung einer Ersatzpflicht für zukünftige Schäden, auf Unterlassung der Verwendung seiner Telefonnummer – soweit diese nicht von seiner Einwilligung gedeckt ist – und auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgewiesen hat. Laut BGH fehlt es nicht an dem notwendigen Feststellungsinteresse, da die Möglichkeit des Eintritts künftiger Schäden unter den Umständen des Streitfalles ohne Weiteres besteht. Der genannte Unterlassungsanspruch ist hinreichend bestimmt und dem Kläger fehlt insoweit auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Berufungsgericht muss nun auf der Basis des Urteils des BGH neu entscheiden. Er hat auch Hinweise zur Bemessung des immateriellen Schadens erteilt und ausgeführt, warum unter den Umständen des Streitfalles von Rechts wegen keine Bedenken dagegen bestünden, den Ausgleich für den bloßen Kontrollverlust in einer Größenordnung von EUR 100 zu bemessen.
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