Ändert die Politik ihre Richtung, kann das für Unternehmen schwerwiegende Konsequenzen haben. Sie haben im Vertrauen auf die ursprüngliche Ausrichtung Investitionen getätigt und rufen nun nach Schadensersatz, in den jetzt vor dem BGH verhandelten Fällen Mainstream Renewable Power, Uniper und RWE. Sie taten dies vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington, genauer gesagt dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID). Die Schiedsinstitution ist eine unabhängige Einrichtung innerhalb der Weltbankgruppe. Deutschland gehört ihr seit dem Gründungsjahr 1966 an. Den Weg sieht zwingend eine Klausel im Energiecharta-Vertrag vor, den auch Deutschland und die Niederlande unterzeichnet haben. Urteile aus diesen Schiedsverfahren haben die Wirkung eines rechtskräftigen inländischen Urteils, nationale Gerichte können sie nicht überprüfen. Beide Länder wandten sich an deutsche Gerichte, um die Unzulässigkeit der Schiedsgerichtsbarkeitsklausel feststellen zu lassen – laut deutscher Zivilprozessordnung ist das vor Bildung eines Schiedsgerichts möglich. Diese kamen allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Sonderfall Investor gegen Staat
Hinweise auf den möglichen Ausgang gaben bereits mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH): Die besagten, dass sich Staaten und Investoren nicht via Vertragsklausel den Regelungen des europäischen Rechts entziehen können, wenn es um Vorgänge innerhalb der EU geht. Der BGH befand sich hier in einem Konflikt zwischen notwendiger Loyalität mitgliedstaatlicher Gerichte zur europäischen Rechtsordnung einer- und der Verteidigung fundamentaler internationaler Rechtsprinzipien andererseits. Wie der Gerichtshof ausführt, ist der Antrag auf Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens zwar ab Registrierung eines ICSID-Schiedsverfahrens grundsätzlich nicht statthaft. Diese Sperrwirkung greift aber dann nicht, wenn wie in den verhandelten Fällen ein „Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren“ vorliegt. Dann bestehe ein Anwendungsvorrang des Unionsrechts, auch gegenüber dem Völkerrecht. Die nachgelagerte staatliche Kontrolle eines ICSID-Schiedsspruches ist „zwingend erforderlich“, sagt der BGH. Diese Kontrolle kann im Intra-EU-Kontext durch die vom deutschen Gesetzgeber mit § 1032 Abs. 2 ZPO ermöglichte vorgezogene staatsgerichtliche Kontrolle bindend vorweggenommen werden. Eine Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens verhindert aufgrund der Bindungswirkung die – gegebenenfalls spätere – Vollstreckbarerklärung eines ICSID-Schiedsspruches in Deutschland. Die Bundesrepublik und andere Länder haben mittlerweile den Austritt aus dem Energie-Chartavertrag beschlossen.
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