Da die Corona-Regelungen mittlerweile außer Kraft getreten sind, geht es um Klagen auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit. Diese sollte als Grundlage für spätere Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche dienen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat die Normenkontrollanträge nun zurückgewiesen. In der Urteilsbegründung geht der Senat auf mögliche Verletzungen der Grundrechte aus den Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ein.
Formale Rechtswidrigkeit geheilt
Zuvor stellt er fest, dass die Corona-Verordnungen der baden-württembergischen Landesregierung zunächst formell rechtswidrig waren, da im Zeitpunkt ihrer Notverkündung im Internet die aus rechtsstaatlichen Gründen notwendige Ausfertigung der jeweiligen Verordnung nicht vorlag. Allerdings erlebte dieser Mangel via Verkündung im Gesetzblatt seine Heilung. Materiell-rechtlich waren die Verordnungen nach Ansicht des VGH wirksam.
Ermächtigungsgrundlage für Schließungen
Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahmen waren § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 IfSG. Letzterer ermächtigt auch zu Maßnahmen der Gefahrenvorsorge, die durchaus auch schon weit im Vorfeld einer konkreten Gefährdung ansetzen. Möglich sind in diesem Zusammenhang Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit. Die strengen Anforderungen der gefahrenabwehrrechtlichen Nichtstörerinanspruchnahme müssen nicht gegeben sein. Behörden dürfen mit eigentlich näher regelungsbedürftigen Maßnahmen reagieren, wenn eine unvorhergesehene Gefahrensituation besteht. Deshalb sind Generalklauseln wie in § 28 Abs. 1 IfSG für einen Beobachtungs- und Übergangszeitraum nicht nur nicht zu beanstanden, sie finden gerade darin ihren Sinn.
Verstoß gegen Berufsfreiheit?
Der VGH stellt klar, dass dieser nicht beliebig in die Länge gezogen werden kann. Auf Dauer können sich harte Maßnahmen wie Betriebsschließungen nicht auf eine Generalklausel stützen. Das Gericht setzt als Ende den 30. September 2020 an, also einen Zeitpunkt vor dem Beginn der sogenannten zweiten Welle im Herbst. Gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Berufsfreiheit verstieß die Anordnung der Betriebsschließung nicht, so der VGH. Zwar erlitten viele Betriebe gravierende wirtschaftliche Einbußen. Zumutbar, weil die exponentielle Weiterverbreitung des Coronavirus – und die daraus folgende mögliche Überlastung des Gesundheitswesens – weitreichende kontaktbeschränkende Maßnahmen erforderten. Im Übrigen fand dank der umfangreichen staatlichen Maßnahmen eine Abmilderung statt.
Und wie ist es mit dem Eigentum?
Für eine potenzielle Verletzung des Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG besteht kein Raum, weil die Maßnahmen die gerade nicht geschützten Umsatz- und Gewinnerwartungen betrafen, nicht etwa die Substanz des Betriebes. Der VGH führt aus, dass sie sich „im Rahmen derjenigen Risiken unternehmerischer Tätigkeit“ bewegen. Der Senat setzt die Situation gleich mit der von Naturkatastrophen, kriegerischen Auseinandersetzungen, dem Wegbrechen von Märkten, der Unterbrechung von Lieferbeziehungen und grundlegendem technologischen Wandel. Diese seien hinzunehmen, auch wenn sie wie hier staatlich veranlasst sind.
Keine Verletzung des Willkürverbots
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenso nicht erkennbar. Gegen das Willkürverbot verstießen die Maßnahmen der Landesregierung nicht, weil die Differenzierung zwischen Betrieben der Grundversorgung und den übrigen keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken begegnet. Insofern ist die Privilegierung des Grundversorgungshandels nicht zu beanstanden. Die Betriebe können nun noch gegen das sie betreffende Urteil Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.
VGH Baden-Württemberg, Az. 1 S 926/20, 1 S 1067/20, 1 S 1079/20)
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