Arbeitgeber darf Corona-Impfung prinzipiell nicht anordnen

Mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus stellt sich für Arbeitnehmer die Frage, ob ihr Arbeitgeber sie zu einer Schutzimpfung zwingen kann. Tatsächlich setzt die entsprechende Verordnung grundsätzlich auf Freiwilligkeit. Im Einzelfall kann es aber Ausnahmen geben – mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen für Impfverweigerer.
vom 19. Januar 2021
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Arbeitgeber darf Corona-Impfung prinzipiell nicht anordnen

Mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus stellt sich für Arbeitnehmer die Frage, ob ihr Arbeitgeber sie zu einer Schutzimpfung zwingen kann. Tatsächlich setzt die entsprechende Verordnung grundsätzlich auf Freiwilligkeit. Im Einzelfall kann es aber Ausnahmen geben – mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen für Impfverweigerer.
Seit 15. Dezember 2020 gilt in Deutschland die „Coronavirus-Impfverordnung“. Abgestuft nach drei Prioritäten, bestimmt sie, wer sich zuerst immunisieren lassen kann. Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen sowie alle über 80-Jährigen gehören zur Gruppe mit der höchsten Priorität. Eine Impfpflicht sieht die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erlassene Verordnung nicht vor. Damit bleibt das Impfen für alle vorerst freiwillig.
 
 

Rechtliche Grundlage wäre vorhanden

Vorerst, denn die Diskussion um eine Corona-Impfpflicht ist voll entbrannt – auch vor dem Hintergrund, dass die Impfbereitschaft gerade unter den Zielgruppen der höchsten Priorität vielerorts überraschend gering ausfällt. Für einen perspektivischen Impfzwang könnte § 20 Absatz 6 Satz1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die rechtliche Grundlage bilden. Der Gesetzgeber übt bei Corona – anders als bei Masern – indes bewusst keinen Zwang aus.
 

Arbeitgeber scheuen Haftungsrisiken

Unternehmen können von ihren Beschäftigten somit grundsätzlich keine Corona-Impfung verlangen. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einem aktuellen Beitrag zum Thema betont, gelte der Grundsatz der Freiwilligkeit auch mit Blick auf § 23a IfSG. Im Übrigen, unterstellt der DGB, hätten Arbeitgeber „regelmäßig kein Interesse daran, sich den im Raum stehenden Haftungsrisiken bei etwaigen Komplikationen auszusetzen“.
 

Beschäftigung ungeachtet des Impfstatus

Da es – bisher jedenfalls – keine gesetzliche Impfpflicht gebe, könnten Unternehmen auch keine Maßnahmen gegen jene Mitarbeiter ergreifen, die nicht geimpft seien oder dies nicht vorhätten. Der Arbeitgeber bleibt arbeitsvertraglich zur Beschäftigung verpflichtet. Sollte er gleichwohl ein Junktim verlangen und etwa den Zutritt zum Betrieb oder einem Betriebsteil verweigern, droht ihm der Annahmeverzug; er muss den Mitarbeiter dann weiter bezahlen.
 

Maßregelungsverbot gilt für alle Mitarbeiter

Auch den Zugang nicht gegen das Coronavirus Geimpfter zu Gemeinschaftseinrichtungen des Unternehmens, zum Beispiel der Kantine, kann der Arbeitgeber nicht verweigern. Der DGB führt aus: „Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot aus § 612a BGB verbietet nicht nur die Benachteiligung von Beschäftigten, welche in zulässiger Weise ihre Rechte (etwa Anspruch auf Schutzimpfung) ausüben, sondern erst recht auch den umgekehrten Fall.“
 

Direktionsrecht nur in punkto Arbeitsleistung

Arbeitsrechtler verweisen darauf, dem Arbeitgeber sei es durch das Direktionsrecht gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) erlaubt, einem Arbeitnehmer Vorgaben für Inhalt, Ort und Zeit seiner geschuldeten Arbeitsleistung zu machen. Dies gelte allerdings nur, soweit gesetzliche Vorgaben nicht entgegenstünden. Der Arbeitgeber habe außerdem gegenüber seinen Mitarbeitern eine Schutz- und Fürsorgepflicht (u.a. aus dem Arbeitsschutzgesetz).
 

Keine Auskunftspflicht bezüglich Impfstatus

Mit Blick auf Corona darf ein Unternehmen damit etwa Fiebermessungen vor Betreten des Betriebsgeländes anordnen oder Mitarbeiter bei Urlaubsrückkehr nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet befragen. Eine Grundlage zum Oktroyieren von Impfungen indes stellt das Direktionsrecht nicht dar. Der Arbeitnehmer ist in seinem außerdienstlichen Verhalten frei. Laut DGB schuldet er dem Arbeitgeber auch keine Auskunft über seinen Impfstatus.
 

Anordnung regelmäßiger Tests rechtens 

Trotz der besonderen Gefährdungssituation in diesen Berufsgruppen – für Mitarbeiter und Patienten – gibt es auch für medizinisches oder Pflegepersonal prinzipiell keine Corona-Impfpflicht. Der Arbeitgeber kann jedoch die regelmäßige Testung verlangen, der Folge zu leisten ist. Und wenn Patienten, Heimbewohner oder deren Angehörige den Einsatz allein von gegen das Coronavirus geimpften Mitarbeitern fordern, hat dies Konsequenzen.
 

Gefahr der personenbedingten Kündigung 

Ähnlich dem Berufskraftfahrer, der seinen Führerschein verliert, können alle Arbeitnehmer ohne Corona-Schutzimpfung im betreffenden Bereich dann nicht mehr beschäftigt werden. Ihnen droht schlimmstenfalls eine personenbedingte ordentliche Kündigung. Zuvor jedoch muss der Arbeitgeber prüfen, ob die jeweiligen Mitarbeiter nicht mit einer anderen Tätigkeit betraut werden können, bei der das Bestehen eines Impfschutzes nicht zwingend ist.Bildnachweise: © imago images / ULMER-Pressebildagentur

Beitrag von Alexander Pradka

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