AGB-Klausel darf Abtretung von Fluggastrechten nicht unterminierenDass Fluggastrechteportale und Legal-Tech-Anbieter sich die Entschädigungsansprüche von Passagieren gegenüber Airlines abtreten lassen, ist mittlerweile Usus. Die ungarische Fluggesellschaft Wizz Air Hungary Ltd. legte ihren Fluggästen via AGB Steine in den Weg.
Zum einen sah sie darin vor, dass die Anmeldung der Entschädigungsansprüche auf der Webseite der Gesellschaft durch Passagiere selbst Vorrang genieße. Für den Fall, dass die Ansprüche an Dritte abgetreten würden, sahen die AGB die Erhebung einer Abtretungsbearbeitungsgebühr vor, die von der Entschädigung abgezogen würde. Eine Bearbeitung der abgetretenen Ansprüche setzte außerdem voraus, dass die Kontakt- und Zahlungsdaten des Fluggastes für eine direkte Auszahlung an diesen angegeben seien.
Fluggäste und Konkurrenz betroffen
Die Wettbewerbszentrale – eine gemeinnützige Organisation von Unternehmen, Kammern und Verbänden aus der Wirtschaft – sah in den Regelungen eine unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern. „Nicht zuletzt die zögerliche Haltung einiger Fluggesellschaften, Fluggäste etwa bei großen Verspätungen oder Annullierungen zu entschädigen, ist eine wesentliche Grundlage für das Geschäftsmodell der Fluggastrechteportal“, führt Patrick Matern, Syndikusrechtsanwalt und zuständiger Referent für den Bereich Tourismus bei der Wettbewerbszentrale aus. „Dementsprechend führen Bestrebungen von Fluggesellschaften, dieses Geschäftsmodell durch vertragliche Regelungen mit den Fluggästen zu unterminieren, nicht nur zu einer wesentlichen Einschränkung der gesetzlichen Ansprüche der Fluggäste. Wettbewerbskonform agierende Fluggesellschaften, die einen infolge von rechtmäßigen Forderungsabtretungen notwendigerweise entstehenden erhöhten Arbeits- und Verwaltungsaufwand tragen, werden in unlauterer Weise benachteiligt.“
Klage vor dem Landgericht Berlin
Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hatte Wizz Air abgelehnt. Daher erhob die Wettbewerbszentrale Klage beim Landgericht Berlin. Es sollte die grundsätzliche Frage klären, ob eine Fluggesellschaft Passagiere per AGB-Klauseln erschweren darf, Fluggastrechteportale und Legal-Tech-Anbieter zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Gesellschaft zu nutzen.
Fluggastrechteverordnung
Darf sie nicht, sagt das Landgericht: Die betreffenden Klauseln verstoßen gegen Art. 15 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung. Danach dürfen Verpflichtungen aus der Verordnung gegenüber Passgieren insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Davon umfasst seien auch objektiv nicht gerechtfertigte Vorgaben, wonach die Durchsetzung der Fluggastrechte – beispielsweise durch Inanspruchnahme professioneller Hilfe – erschwert würden.
Wettbewerbswidriges Verhalten
Das Landgericht Berlin bewertete die Forderung einer Abtretungsbearbeitungsgebühr als materiell-rechtliche Einschränkung der Fluggastrechte. Die weiteren Voraussetzungen für die Geltendmachung etwaiger Entschädigungsansprüche – hier die vorrangige, eigenständige Anmeldung direkt über die Webseite der Gesellschaft und die Anspruchsbearbeitung nur für den Fall, dass die Kontakt- und Zahlungsdaten für eine direkte Auszahlung angegeben sind – beschränkten den Fluggast in der Ausübung seiner Rechte. Damit seien die Voraussetzungen des § 3a UWG erfüllt. Die Klauseln in den AGB sind somit nach Ansicht des Landgerichts Berlin wettbewerbswidrig.
LG Berlin, Urteil vom 31.08.2021, Az. 103 O 7/20Bildnachweise: © IMAGO / Shotshop