50+1-Regel im Profifußball: Bundeskartellamt fordert Änderungen

Das Bundeskartellamt hält nach wie vor die in Erster und Zweiter Fußball-Bundesliga praktizierte 50+1-Regel als Ausnahme von kartellrechtlichen Verboten für zulässig. Es fordert von der Deutschen Fußball Liga aber auch eine konsistente und einheitliche Anwendung dieser Ausnahme und damit eine Änderung der aktuellen Anwendungspraxis.
vom 17. Juni 2025
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Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist selbst mit dem Anliegen an das Bundeskartellamt herangetreten, um „eine fundierte Einschätzung dieser schwierigen sportkartellrechtlichen Fragestellung zu erhalten“, so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts. Das Amt führt also kein Verfahren gegen die DFL. Ursache für die aktuelle Beurteilung, die in einigen Punkten von früheren Einschätzungen abweicht, ist die strengere Behandlung des Themas in Brüssel. Der EuGH hatte in seinen Urteilen zur Super League, zur Monopolstellung des Eissport-Weltverbands ISU und zu den Vorschriften der UEFA und des belgischen Fußballverbands zur Mindestzahl einheimischer Spieler in ihren Mannschaften (Fall Royal Antwerpen) wichtige Fingerzeige zur kartellrechtlichen Bewertung von Sonderregeln im Zusammenhang mit dem Profisport gegeben. Das Bundeskartellamt betont nach der erneuten Prüfung der 50+1-Regel, dass diese keine bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs darstellt. Das Ziel der Vereinsprägung ist demnach grundsätzlich geeignet, die Ausnahme vom Kartellrecht zu tragen.   

 

“Offene” Muttervereine gefordert

Die Überprüfung hat eine Neubewertung ergeben: Die DFL achte in ihrer Lizenzierungspraxis nicht ausreichend darauf, dass Vereine der Ersten und Zweiten Fußball-Bundesliga ihren Fans die Möglichkeit bieten, als stimmberechtigtes ordentliches Neumitglied aufgenommen zu werden, heißt es in einer Presseaussendung zu den vorläufigen Ergebnissen der Prüfung. Nur mit einer stringenten Durchsetzung der Zugänglichkeit der Vereine könne aber die 50+1-Regel das Ziel der Vereinsprägung erfüllen, das sie vom Kartellrecht ausnehmen kann. Ein Adressat dieser Ausführungen ist der Bundesligaclub RB Leipzig, auch wenn er nicht explizit genannt ist. Dort gibt es im Verein keine offizielle Möglichkeit, Mitglied zu werden. Von den bereits vorhandenen Mitgliedern sind nur 23 stimmberechtigt, alle sollen der Red Bull GmbH nahestehen, die wiederum zu 99 Prozent Gesellschafter der RasenBallsport Leipzig ist. Sie zeichnet für die Lizenzspielerabteilungen zuständig. Ein zweiter vom Bundeskartellamt ins Spiel gebrachter Fall hat mit dem aktuellen Zweitligisten Hannover 96 zu tun, der seit geraumer Zeit mehr für das Gerangel um Ex-Geschäftsführer Martin Kind bekannt ist, denn für fußballerische Schmankerl. Die DFL soll im Dezember 2023 die 50+1-Regel im Rahmen der Abstimmung über eine Investorenbeteiligung an ihren Medienerlösen nicht konsequent umgesetzt haben. Die DFL war laut Angaben des Kartellamts vorab über die Weisung des Muttervereins an den damaligen Geschäftsführer Martin Kind informiert, wonach dieser gegen die Beteiligung stimmen sollte. Zugleich war das Weisungsrecht des Muttervereins gegenüber dem Geschäftsführer für die DFL der zentrale Gesichtspunkt für die Einhaltung der 50+1-Regel bei den Niedersachsen. Dennoch, so das Kartellamt, habe sie keine Maßnahmen ergriffen, um zu überprüfen, ob Kind weisungsgemäß abgestimmt hat. Es drängte sich der Verdacht auf, dass nicht, bewiesen wurde es aber nicht. Das Bundeskartellamt stuft das als „inkonsequente Anwendung der 50+1-Regel“ ein. Die könne eine Ausnahme vom Kartellrecht nicht rechtfertigen.

 

RB Leipzig, Bayer Leverkusen und VFL Wolfsburg im Fokus   

Ein weiterer Gesichtspunkt sind die sogenannten Förderausnahmen. Ursprünglich haben davon der letztjährige Deutsche Meister Bayer Leverkusen, der VFL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim profitiert. Letztere ist aus der Gruppe ausgeschieden, nachdem Dietmar Hopp seine Anteile an den Verein zurückgegeben hat. Die Ausnahmebewilligung ist schon recht alt, stammen aus den Jahren 1999 und 2000 und wurden noch vom Deutschen Fußball Bund (DFB) erteilt. Eine Ausnahmebewilligung wurde daran geknüpft, dass ein Investor, also etwa die Bayer oder VW, den Verein seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen finanziell unterstützen – oder besser: fördern – deshalb der Name Förderausnahme. Das galt immer als Nachweis dafür, dass es nicht um kurzfristige und rein profitorientierte Investitionen ging. Die Förderausnahme hat die DFL längst gestrichen, die genannten Vereine genossen bis dato aber Bestandsschutz. Das Bundeskartellamt meint dazu jetzt, dass „nach der neuen Rechtsprechung des EuGH nicht mehr möglich erscheint, zu den bislang vorgeschlagenen Bedingungen einen dauerhaften Bestandsschutz für Vereine vorzusehen, die die Förderausnahme erhalten haben“. Vielmehr müssten alle Klubs grundsätzlich homogene Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Das bedeute, dass bei allen Klubs zumindest „perspektivisch sichergestellt werden muss, dass der für Neumitglieder offene Mutterverein die Profiabteilung beherrscht.

 

DFL kündigt Veränderungen an   

Die DFL begrüßt zunächst, dass die 50+1-Regel grundsätzlich weiter Bestand haben kann. Die kartellbehördlichen Hinweise ermöglichten es, notwendige Weiterentwicklungen aus dem Ligaverband heraus zu diskutieren und für die Zukunft tragfähige sowie rechtssichere Lösungen umzusetzen, heißt es in einer Stellungnahme der DFL. Was die grundsätzliche Offenheit des Muttervereins für Mitglieder als eine wesentliche Anforderung der 50+1-Regel angeht, will das DFL-Präsidium nun erörtern, wie sie sich konkret anwenden und in der Satzung der DFL rechtssicher verankern lässt. Die Neubewertung des Bundeskartellamts im Hinblick auf die bisher noch akzeptierte Bestandsschutzregel bei den Förderausnahmen will die DFL nun ebenfalls prüfen. Sie betont außerdem, dass bei Mitgliederversammlungen des Ligaverbandes der Grundsatz bleibt, dass Vertreter der Clubs im Verhältnis zum Ligaverband „umfassend zur Vertretung befugt sind“. Auch da möchte das DFL-Präsidium erörtern, ob und welche praktikablen weiteren Verfahrensregeln bei solchen Versammlungen vereinsrechtlich zulässig sind und in die Satzung der DFL aufgenommen werden können. Der Sprecher des DFL-Präsidiums, Hans-Joachim Watzke, kündigte Veränderungen an: „Klar ist: Der gesamte Ligaverband DFL e.V. wird Lösungen finden müssen, um die 50+1-Regel gemeinschaftlich abzusichern und zu stärken.“

 

Copyright Bild: Emilio Garcia on Unsplash

Beitrag von Alexander Pradka

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