Selbstbewusste General Counsel beim Digital Opening

Am 26. und 27. Januar fand das digitale Opening zum ersten Deutschen General Counsel Kongress statt. Viele wichtige Zukunftsthemen deuten auf die vorherrschende Aufbruchsstimmung hin. „Transparenz“ und „Effizienz“ waren oft gehörte Schlagworte. Und: Die Rechtsabteilungen emanzipieren sich.
vom 19. Februar 2022
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„Mitarbeiterbindung in Krisenzeiten“ – so der Titel des Auftaktvortrages von Andrea Czarnecki, Group General Counsel bei der Continental AG. Sie begreift Fluktuation auch als Chance. „Die persönliche Weiterentwicklung ist wichtig, auch wenn Mitarbeitende dafür die Abteilung verlassen“, sagt sie. Bei Personen, die das Unternehmen braucht, sei es wichtig, ihnen Perspektiven zu bieten. Dann kann ein interner Wechsel auch die Motivation steigern – „und davon profitiert das Unternehmen erheblich.“ Remote Work sei ein wichtiges Thema und Führungskräfte sind gehalten, „jeden möglichen persönlichen Kontakt zu nutzen.“ Bei Steffen Schaar, Mitglied der Geschäftsleitung bei The Quality Group, ging es darum, wie Digitalisierung und Automatisierung Qualität und Effizienz der Prozesse rund um Dokumentenerstellung und digitale Signatur steigern können.

Sein Unternehmen hat dafür neben anderen Tools ein Dashboard entwickelt, das vor allem geeignete und passende Wokflows realisieren soll. Andreas Bong, Partner und Co-Head Legal Process & Technology bei KPMG Law (l.) und Kai Jacob, ebenfalls Partner bei KPMG Law (r.), wiesen auf die aktuelle Entwicklung hin, dass immer weniger Juristen eine wachsende Zahl von Mandanten betreuen müssen. Zur Lösung dieser Herausforderung schlugen sie die „Reduktion auf das Wesentliche“ vor. Dazu gehört, Automation zu nutzen, vermehrt externe Partner mit ins Boot zu nehmen, standardisierte Services zu integrieren sowie Rechtsaktivitäten messbar zu machen. Statt in Rechtsgebieten solle man besser in Produkten für Geschäftseinheiten denken. „Fokussieren Sie sich auf den wesentlichen Wertbeitrag von Recht“, so ihr Appell. Mit der Implementierung unternehmensspezifischer ESGZiele beschäftigte sich Dagmar Mundani, General Counsel bei bei der Siemens Healthineers AG. Die Relevanz dieser Themen nimmt stetig zu und nimmt gerade größere Unternehmen in bestimmten Branchen in die Pflicht, weil alle Stakeholder in dieser Hinsicht mittlerweile hohe Erwartungen an sie stellen. Gerade in Politik und Investorengruppen stünden Sustainability und ESG auf einer hohen Prioritätsstufe. Wichtige Aspekte seien zudem Standardisierungen und Evaluationen. Entsprechende Herausforderungen könnten Unternehmen am besten mit interdisziplinären Teams stemmen. Wie mit der „Legal Frontdoor“ die Rechtsabteilung digital wird, stellten Michael Grupp, Managing Director bei Bryter, und Josephine Hanschke, Head of Business Consulting bei Bryter, dem Auditorium vor. Sie verglichen die Arbeit von Unternehmensjuristen mit dem IT-Desk. Hier wie da kommen eine Fülle von Fragen auf die Mitarbeitenden zu – viele von ihnen sind ähnlich und weisen keine große Komplexität auf. Wie lassen sich diese formalisieren? Für den wichtigen ersten Kontakt und die entsprechende Vorabfilterung soll die „Legal Frontdoor“ eingerichtet werden. Was die Ampelkoalition für die aktuelle Legislaturperiode für Pläne im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht vorhat, darüber berichteten die Bluedex-Rechtsanwälte Dr. Michael R. Fausel und Patrick Loeke. Auf die Rechtsabteilungen in den Unternehmen kommt laut Koalitionsvertrag einiges zu, so etwa die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie, die Erhöhung des Mindestlohns ab Oktober auf 12 Euro – und Neuerungen im Zusammenhang mit dem Befristungsrecht. Mobiles Arbeiten soll EU-weit möglich sein. Dabei besteht zwar keine Homeoffice-Pflicht, aber ein Erörterungsanspruch – widersprechen darf der Arbeitgeber nur, wenn betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Cyberkriminalität ist eine der größten Risiken für Unternehmen, erfolgreiche Angriffe können dafür sorgen, dass ganze Produktionsketten außer Gefecht gesetzt sind. Versicherungen verhalten sich im Moment zurückhaltend. Immer geht es auch um Haftungsfragen. Dr. Marc Hilber und Dr. Jürgen Hartung, Partner bei Oppenhoff, sprachen darüber, wie sich Governance-Strukturen als Basis für geeignete Gegenmaßnahmen implementieren und „leben“ lassen. „Die Sensibilität für das Thema ist immer noch zu gering ausgeprägt“, so ihr Credo. Die Ergebnisse der Studie „Legal Departments on the Move“ stellten Aswin Parkunantharan, Direktor Segment Rechtsabteilungen bei Wolters Kluwer, und Marcus M. Schmitt in seiner Funktion als General Manager der European Company Lawyers Association vor. Am ehesten verbessern würden Rechtsabteilungen ihr Vertragsmanagement und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den anderen Fachabteilungen. Außerdem wichtig: Compliance Management, künstliche Intelligenz und das Risikomanagement. ESG scheint ein Motor der Digitalisierung zu sein: Rund 64 Prozent der Rechtsabteilungen haben dadurch entsprechend neue Projekte identifiziert. Für M&A war 2021 ein Rekordjahr, das aktuelle Jahr wird ähnlich – so Dr. Maximilian Findeisen, Partner bei Eversheds Sutherland (m. u.). „Wir haben einen starken Verkäufermarkt mit hohen Kaufpreisen – und die Kreativität der Verkäufer wächst weiter“, so lautet sein Statement zu aktuellen Entwicklungen. Bieter sehen sich hingegen einem kaum noch kontrollierbaren Prozess ausgesetzt. Zu den Herausforderungen zählen für sie Due Diligence, die Ausgestaltung der Kaufverträge und die konkrete Verhandlungssituation – zum Beispiel wegen parallelen Beurkundungen. Um die effiziente, messbare und risikogerechte Gestaltung der Rechtsfunktionen geht es bei der Etablierung von Legal Key Performance Indikatoren, berichtete Dr. Eva Heneweer, General Counsel der Funke Mediengruppe. Hervorstechen sollte die Transparenz des Wertes und der Leistung der Rechtsabteilung, falsche Anreize wie die Kostenreduktion zu Lasten der Risikoabsicherung sollten unbedingt vermieden werden. „Wir brauchen ein Bewusstsein für das Service Portfolio der Rechtsabteilung – und für die präventive Tätigkeit anstelle der reinen Reaktion.“ Wie HelloFresh im Spannungsfeld zwischen Identifikation und Entfremdung der Umstieg auf das hybride Arbeitsmodell gelungen ist, berichtete Group General Counsel Dr. Christian Ries. Einmal pro Woche sind alle da, persönliche Meetings und gemeinsames Mittagessen fördern den Zusammenhalt. Dreimal pro Woche finden – online – zusätzlich so genannte „Catch-up“-Calls statt. Feste Arbeitsplätze gibt es kaum noch, einen Präsenzarbeitsplatz buchen Mitarbeitende heute per App. „Vor zwei Jahren war ich skeptisch, was das Thema betrifft“, meint Dr. Ries. „Jetzt habe ich meine Meinung komplett geändert, das Leben ist ‚entstresst‘ – und Führung funktioniert auch virtuell.“ In Präsenz hingegen sehen sich die Teilnehmer am 14. und 15. März in Frankfurt am Main. Zum ersten deutschen General Counsel Kongress 2022 – live.

Alexander Pradka

Beitrag von Alexander Pradka

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