Um die richtigen „handwerklichen“ Fähigkeiten, das notwendige „Fingerspitzengefühl“ sowie wertvolle Tipps aus der Praxis und die Vermeidung von Fallstricken zu verinnerlichen, bietet das Deutsche Institut für Rechtsabteilungen und Unternehmensjuristen (diruj) seit diesem Jahr den Zertifikatslehrgang „Verhandlungstraining“ an. Erstmals fand dieser ausschließlich für Leiter und Leiterinnen Recht konzipierte Lehrgang am 20. Juni 2024 in Frankfurt am Main statt. Dieser kombiniert Grundlagen der Verhandlungswissenschaften und Tricks kompetitiven Verhandelns. Im Grunde ist es eine der Kernkompetenzen, die Juristinnen und Juristen, vor allem wenn sie sich für die Tätigkeit in der freien Wirtschaft oder sogar in einem Legal Department eines Unternehmens entschieden haben, mitbringen müssen. Es ist aber auch eine Kompetenz, die im Studium so gut wir gar nicht und im Referendariat nur dann, wenn der Ausbilder oder die Ausbilderin darauf Wert legt, vermittelt wird. Alle Errungenschaften der Digitalisierung, selbst der Einsatz Künstlicher Intelligenz greifen zu kurz. Sie helfen hier schlicht nicht weiter und müssen auf allenfalls analytische Unterstützung im Vorfeld oder Nachgang reduziert bleiben. Der Lehrgang will Menschen, die einerseits Hintergründe erfahren, andererseits ihre persönlichen Fähigkeiten erweitern möchten, das nötige Rüstzeug vermitteln, mit dem sie „in den Ring steigen können“.
Als Referent für die eintägige Veranstaltung konnte das diruj Prof. Dr. Jörg Risse gewinnen. Er ist Partner der Sozietät Baker McKenzie und außerdem Honorarprofessor an der Universität Mannheim und der Humboldt-Universität Berlin, unter anderem mit den Schwerpunkten Rhetorik und Verhandlungsführung. Er bringt zudem die Erfahrung aus zahlreichen Schiedsverfahren mit, wo er insbesondere bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen und großen Infrastrukturprojekten auf Mandantenseite wie als Schiedsrichter fungiert. Der Lehrgang ist in zwei Module unterteilt, im ersten geht es um die Grundstruktur und das Erfolgsgeheimnis kompetitiver Verhandlungen. Modul 2 beschäftigt sich mit den Schlüsselfaktoren der kompetitiven Verhandlungen. Im dritten Modul dringen die Teilnehmer in die Verhandlungspsychologie ein, Modul 4 zeigt einige Tricks, solche, die sich selbst nutzen lassen – und solche, derer sich andere bedienen und wie sich diese erkennen lassen. Essenziell für eine erfolgversprechende Verhandlung sind schon die Vorbereitung und das „Setting“, in dem sie stattfindet. Und selbst wenn wenig Zeit vor der Zusammenkunft zur Verfügung steht, sollte diese unbedingt genutzt werden, um nicht frühzeitig in eine schwierige Position zu geraten. Zeit bleibt auch während der Verhandlung ein wichtiger Faktor. Zudem lassen sich bestimmte Sequenzen standardisieren, sie folgen einem Grundmuster, ein Verhandlungsführer muss aber ebenso wissen, an welchen Stellen dieses zu durchbrechen ist und wo möglicherweise eine überraschende Wendung bevorsteht beziehungsweise sogar bewusst herbeigeführt werden kann. Das rechte Maß zwischen Zuhören und Sprechen zu finden, ist ebenfalls eine Kunst, die zum einen nicht jeder beherrscht, zum anderen aber immer wieder neue Aufmerksamkeit braucht. Der Jurist muss ein guter Zuhörer sein, um die für die eigene Argumentation entscheidenden Informationen zu bekommen, einzuordnen. In dem Zusammenhang ist die selektive Wahrnehmung ein wichtiges Stichwort. „Wahrheit“ gestaltet sich oft anders, je nachdem, auf welcher Seite „man“ steht. Last but not least ist „Macht“ ein wichtiger Faktor in einer Verhandlung. Dabei ist nicht unbedingt nur die Macht gemeint, die sich aus der Position ergibt, sondern auch die zur Schau gestellte. Damit richtig umzugehen, kann essenziell für den eigenen Nutzen sein. ■ Alexander Pradka