Es war bereits die vierte Veranstaltung dieser Art, 2021 fiel der Startschuss für das Konzept, damals noch unter Corona-Begleiterscheinungen und zunächst nur in digitaler Form. Das hat sich grundlegend geändert. Der Zuspruch wächst von Jahr zu Jahr und und längst profitieren alle wieder von der persönlichen Begegnung. Viele der Teilnehmerinnen und der Teilnehmer kennen einander mittlerweile von Veranstaltungen gleicher und ähnlicher Art, und das ist zu spüren. Die Freude über das Wiedersehen ist groß, der Gesprächsfaden vom letzten Mal ist schnell greifbar und wird weitergeknüpft. Natürlich lernt „man“ auch neue Menschen kennen und erweitert damit sein berufliches Netzwerk. Und das ist ein wichtiger Aspekt: Der General Counsel Kongress ist eine Plattform, die Heads of Legal & Compliance zusammenbringt, aber nicht nur sie, sondern auch den Draht spannt zu den Sozietäten mit ihren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie zu den vielen Dienstleistern im Rechtsumfeld, sei es aus der HR-Branche oder aus dem Legal-Tech-Bereich. Eigentlich gab es nur eines nicht in Berlin während der rund eineinhalb Tage inklusive exklusivem Vorabenddinner: Leerlauf. Es war ein buntes Treiben mit permanentem Austausch. Der zweite essenzielle Aspekt des Kongresses ist der Inhalt, sind die Themen, die von den zahlreichen Speakern angeboten und von allen diskutiert werden. Diesbezüglich hätte die Resonanz nicht eindeutiger sein können: Die Auswahl traf den Nerv. Es sind die zurzeit den Rechtsmarkt beherrschenden Themen, die die Veranstalter ausgesucht hatten. Schon die Dinnerspeech war ein Highlight, zu Gast war Dr. Marco Buschmann, von Dezember 2021 bis November 2024 Bundesminister der Justiz und seit Dezember 2024 Generalsekretär der Freien Demokratischen Partei. Eindrücklich und einprägsam zeichnete er die aktuell schwierige politische und wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik nach, entwickelte in seiner rund halbstündigen Ansprache aus seiner Sicht praktikable Lösungsansätze und bemühte sich erkennbar, Zuversicht für die künftige Entwicklung im Land zu verbreiten. Dass der General Counsel Kongress ein Ort der Vielfalt ist, zeigte aber auch die Einladung an Dr. Carsten Stender (SPD), Abteilungsleiter VI, Europäische und Internationale Beschäftigungs- und Sozialpolitik, Digitale Transformation im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Er hielt am Morgen des 29. Januar zum Auftakt des eigentlichen Kongresses die Keynote, nicht ohne sich kritisch mit den Worten Buschmanns am Vorabend zu äußern. Auch im Publikum wurden die jeweiligen Standpunkte durchaus kontrovers diskutiert, dabei aber immer sachlich – so soll es sein und war Sinn der Sache.


Digitalisierung und Regulierung
Was ihre tägliche Arbeit betrifft, nehmen die Herausforderungen für die General Counsel, Heads of Legal und Chief Compliance Officer, nicht ab – im Gegenteil: Jedes Jahr beim Kongress zum Jahresauftakt wird der Beobachter das Gefühl nicht los, dass die Themen vom Vorjahr geblieben, mittlerweile aber schon wieder neue hinzugekommen sind. Umso wichtiger ist die Beantwortung der Frage nach der Positionierung im eigenen Unternehmen, die Ausgestaltung der Zusammenarbeit nicht nur mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Rechts- und Complianceabteilungen, sondern auch mit den Fachabteilungen, den Business-Units und der Geschäftsführung beziehungsweise dem Vorstand – sowie nicht zuletzt mit den externen Beraterinnen und Beratern aus den Sozietäten. Gerade das Zusammenspiel aus General Counsel und Chief Compliance Officer ist – sofern in getrennte Bereiche aufgeteilt – eine spannende Aufgabe, die zur Zufriedenheit aller gelöst sein will, um nicht das Gesamtgefüge ins Wanken zu bringen. Dies waren einige der zentralen Gesichtspunkte beim 4. GCK des diruj. Stichwort Personal: Zum genannten Themenumfeld gehört in Zeiten des Fachkräftemangels auch die Rekrutierung geeigneter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Legal Departments – und vor allem die Steigerung der Attraktivität des Schaffensumfelds, um diese Menschen auch möglichst lange zu halten. Die Konkurrenz ist groß und ebenso die Gefahr, dass sich Angestellte eine neue und aus ihrer Sicht bessere Perspektive suchen. Effizienzsteigerung ist ein weiterer Aspekt, auf den regelmäßig das Spotlight fällt. Und diese kann in heutigen Zeiten nicht mehr ohne den Segen der Digitalisierung gedacht werden. Rechtsabteilungen wie Kanzleien profitieren gleichermaßen davon, dass Standardaufgaben und wiederkehrende Prozesse, vorbereitende Handlungen und Recherchen mittlerweile mit den entsprechenden Tools deutlich schneller als noch vor wenigen Jahren vonstatten gehen und so eine Konzentration auf wesentliche und strategische Herausforderungen möglich ist. Heute sprechen wir bereits viel über Künstliche Intelligenz im rechtlichen Umfeld – und wir werden es weiterhin tun auf den nächsten Kongressen. Da stehen viele erst am Anfang und testen, probieren aus, wo sie eine sinnvolle Unterstützung sein kann. Zu beachten sind in diesem Bereich nicht nur die Chancen, es ergeben sich auch Risiken, und gerade wenn es um Haftungsrisiken geht, sind fest etablierte Prozesse zur Minimierung und Vermeidung unerlässlich. Künstliche Intelligenz und der AI-Act der Europäischen Union führen zum nächsten Topthema am „Jurasektor“: Regulierung und wie sich angesichts der Fülle an neuen Vorschriften und Gesetzen binnen kürzester Zeit am besten damit umgehen lässt. In einer idealen Welt würden sich heute in einer Rechtsabteilung mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur noch damit beschäftigen, identifizieren, was für das eigene Unternehmen relevant und was zu tun ist, um den Vorstellungen von nationalen Gesetzgebern und Europäischer Union zu entsprechen. Das lassen indes die Budgets oft nicht zu – oder auch nicht der Mangel an Personal am Markt, siehe oben.
Das große „Bergmassiv ESG“
Nicht mehr ganz so neu ist der Themenkomplex ESG, mehr aber, weil viele Unternehmensjuristinnen und -juristen feststellen, dass sie in einzelnen Bereichen dieses Komplexes besser aufgestellt sind als gedacht. Viele blicken auf die drei Buchstaben wie auf ein riesiges Massiv, wo „man“ nicht recht weiß, wo eigentlich anfangen und wo aufhören. In einigen Unternehmen ist nicht einmal klar, wo ESG anzusiedeln ist und wer für die Lösungen der vielfältigen Problemstellungen Verantwortung tragen sollte. Dabei ist das Thema so weit verzweigt, dass es in kaum einen Unternehmensbereich nicht hineinragt und es betrifft so viele Rechtsgebiete, dass eine Beschäftigung längst stattfindet – siehe Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, CSRD oder CSRDDD, siehe Greenwashing, Entwaldungsverordnung, Green Finance, oder auch nur die vielfältigen neuen Dokumentationspflichten, um nur wenige Beispiele zu nennen, die seit Jahren eine tragende Rolle spielen. Und es gibt immer die Schwerpunktthemen aus einzelnen Rechtsgebieten, die stets auch Eingang finden in einen Kongress wie den GCK. Wichtige Bereiche in dem Zusammenhang sind das Kartell- und Wettbewerbsrecht, das Arbeitsrecht sowie M&A. Es bleibt spannend und es wird spätestens im Frühsommer zu sehen sein, ob sich eine wesentliche Änderung der Themen bei der Rechtsabteilungs- und Unternehmensjuristenkonferenz ergibt. Der In-house Counsel wird berichten. ■ Alexander Pradka