Zweifel am Erreichen der Ziele

Die Gültigkeit der aktuellen Version des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, kurz KapMUG, endet mit Ablauf des 31. August dieses Jahres. Reformbedürftig war das gute Stück ohnehin, wie die vielen großen und pressewirksamen Verfahren seit 2005 gezeigt haben. Ab September muss neues Recht gelten – werden die Hoffnungen erfüllt?
vom 17. Mai 2024
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Bereits seit 2005 gibt es das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, kurz KapMUG. Ende der 1990er-Jahre ging die Telekom an die Börse, viele werden sich noch an die Werbung mit dem Schauspieler Manfred Krug erinnern – „Da geh‘ ich mit.“ Eine Erfolgsgeschichte schrieb die damals am Markt eingeführte „Volksaktie“ nicht oder zumindest nicht in der erwarteten Art und Weise. Viele Anleger verloren eine Menge Geld und zogen vor Gericht. Verfahren zogen sich eine schiere Ewigkeit hin, manche, die ihr Geld in die Aktien investiert hatten, waren bei der Entscheidungsverkündung schon längst gestorben. Der damalige Gesetzgeber entschied: Das sollte künftig so nicht mehr passieren – und erfand das KapMUG. Die Hintergrundgeschichte sorgte dafür, dass es auch als „Lex Telekom“ in die Geschichtsbücher einging. Das KapMUG sieht für bestimmte kapitalmarktbezogene Rechtsstreitigkeiten ein besonderes zivilprozessuales Verfahren vor, das geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wegen falscher, irreführender oder unterlassener Angaben etwa in Börsenprojekten oder Jahresabschlüssen vereinfacht. Theoretisch zumindest, in der rechtlichen Praxis hat das Gesetz über die Jahre manche Schwächen offenbart.

 

Jetzt, knapp zwanzig Jahre später, hat sich gezeigt: Die Fälle werden nicht weniger, erinnert sei nur an VW und den Dieselskandal oder noch frischer an Wirecard und die Rolle von EY. Das KapMUG bedurfte also ohnehin dringend einer Reform. Mitte März präsentierte die Bundesregierung ihre Pläne. Insgesamt verfolgt sie das Ziel, die Verfahren zu beschleunigen und für alle Parteien effizienter zu gestalten. Sie will den Zeitraum zwischen der Erhebung der Einzelklage vor dem zuständigen Landgericht bis zur Durchführung des Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht verkürzen. Das soll über eine Anpassung der Fristen und der Konzentration der Zuständigkeiten gelingen. Gestärkt werden soll die Stellung des Oberlandesgerichts innerhalb des KapMUG-Systems. Es formuliert künftig selbst die sich aus den Einzelklagen ergebenden Feststellungsziele für das Musterverfahren. Reduziert wird die hohe Zahl der am Verfahren Beteiligten. Nicht alle Einzelklagen, die den Gegenstand des Musterverfahrens betreffen, münden in Zukunft automatisch in diesem – wollen Parteien daran nicht teilnehmen, sollen sie ihren Rechtsstreit künftig unabhängig als Individualverfahren führen können. Die Gerichtsakten für Musterverfahren sollen die mit den Verfahren befassten Gerichte schon vor Ablauf der bis zum
1. Januar 2026 laufenden Regelfrist digital führen müssen. So könnten die wegen der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten bisher langwierigen Akteneinsichten künftig parallel und schneller erfolgen. Bundes-
justizminister Dr. Marco Buschmann möchte erreichen, dass Deutschland ein „starker Anlageort mit einer starken Anlegerstruktur“ ist. Dazu gehöre, dass „Anleger ihre Rechte im Schadensfall wirksam und zügig durchsetzen können“. Wenn das KapMUG in neuer Version tatsächlich dafür sorgen könnte, Prozesse zu verschlanken und zu beschleunigen, wäre das ein Segen für alle. Allerdings bleiben Ansätze zu Kritik, die bei mehr Konsequenz hätten vermieden werden können.

 

So soll etwa die Zwangsaussetzung der Einzelverfahren bis zur Entscheidung im Musterverfahren wegfallen beziehungsweise die Option gegeben sein, sich nicht dem Musterverfahren anzuschließen. Sozietäten freut das, mit dem Argument der Parteiautonomie lassen sich so mehr Prozesse führen. Die Gerichte werden das naturgemäß anders sehen: Sie bekommen damit eher mehr als weniger zu tun und sie stöhnen gerade im Bereich der Massenverfahren ohnehin unter einer massiven Belastung. Das Musterverfahren bleibt zudem ein Zwischenverfahren, dass zwar eine Entscheidung in einem Fall mit Gültigkeit für alle trifft. Durchsetzen können Betroffene ihre Ansprüche dann aber erst wieder in einem eigenen Verfahren. Warum der Gesetzgeber das nicht wie bei der seit Herbst des vergangenen Jahres möglichen Abhilfeklage gelöst hat, erschließt sich nicht. Ohnehin stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Verfahren zueinander stehen. Es besteht Nachbesserungsbedarf.

Ihr Alexander Pradka 

Leitender Redakteur 

alexander.pradka@diruj.de

Beitrag von Alexander Pradka

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