Damit gibt sie die zehn Jahre währende Blockadehaltung der Vorgängerregierungen auf. Künftig soll der Frauenanteil in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wesentlich erhöht werden: 40 Prozent der Aufsichtsräte oder 33 Prozent der Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder sollen dann weiblichen Geschlechts sein. Kaum nachvollziehbar, warum ausgerechnet in Deutschland das Ringen um die Zustimmung derart zäh war: Spätestens seit dem Führungspositionengesetz II (FüPoG II) gibt es erst einmal gar keinen Umsetzungsdruck. Deutschland mag grundsätzlich weiter sein als andere, aber der Anstieg des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen ist auch hier sehr bescheiden. Von den Unterschieden bei den Gehältern ganz zu schweigen: Der Gehaltsreport, den wir in dieser Ausgabe im Titelthema behandeln, hat zutage gefördert, dass der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen bei den angestellten Unternehmensjuristen und den Leitern der Rechtsabteilungen durchschnittlich bei 17 Prozent liegt – zugunsten der männlichen Vertreter. Bei einer Berufserfahrung von über 16 Jahren steigt der Gender Gap sogar bis auf knapp 21 Prozent. Dafür gibt es kein Argument, das lässt sich nicht rechtfertigen. Grundsätzlich bin ich dagegen, dass die Zusammensetzung der Führungsebene eines Unternehmens im Hinblick auf das Geschlecht per Quotenregelung vom Staat vorgegeben und gesetzlich angeordnet wird. Dies aber nur aus dem einzigen Grund, dass es für mich eine Selbstverständlichkeit ist, dass Frauen wie Männer den gleichen Zugang zu den entsprechenden Gremien haben und in gleicher Position bitteschön auch das gleiche Gehalt bekommen. So banal es klingt: Dafür sollten allein Kenntnisse und Fähigkeiten, Leistungsbereitschaft, Ideenreichtum und Innovationsgeist sowie Führungsqualitäten entscheidend sein. Mehr oder weniger seriöse Studien zu der Frage, warum Frauen noch so selten in Führungspositionen auftauchen, gibt es zuhauf. Argumente wie „mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „es gibt gar nicht so viele weibliche Bewerberinnen“, „Frauen haben zu viele Selbstzweifel und sind zu wenig durchsetzungsfähig“ liest der interessierte Beobachter des Geschehens dabei am häufigsten. Wenn ich genau hinschaue, sind es also meist Punkte, die auf die ein oder andere Weise „Frau“ selbst zugeschrieben werden. Das ist mir zu bequem, manches davon stimmt schlicht auch nicht oder zumindest nicht mehr. In vielen Branchen und Berufen hat beispielsweise der Frauenanteil sehr stark zugenommen. Das gilt gerade für die Betriebswirtschaftslehre und die Rechtswissenschaften. Warum sind sie dann so unterrepräsentiert, je höher es geht? Das Problem liegt meines Erachtens an anderer Stelle: Unsere Gesellschaft ist offenbar doch nicht so „modern“, wie wir immer glauben. Die Betriebe, in denen die Unternehmenskultur tatsächlich „divers“ ist und die eine attraktive Umgebung für beide Geschlechter auf Leitungsebene schaffen, sind deutlich in der Minderzahl. Dabei können – meiner Meinung nach – Unternehmen gerade vom gemeinsamen Wirken beider Geschlechter enorm profitieren. Um den Bogen zur Aussage oben zu spannen: Es mag ein Armutszeugnis sein, aber vielleicht braucht es dann doch die Verordnung per Gesetz, um langfristig gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. In Deutschland haben sie erste spärliche Veränderungen gebracht. Aber auch wenn es langsam geht: Vielleicht schaffen es die neuen „Mixed Boards“, eine Vorbildfunktion einzunehmen, eine neue Unternehmenskultur zu schaffen, in der Selbstverständliches Realität ist. Ein weiter Weg für etwas, das längst am Ziel sein sollte.
Ihr Alexander Pradka
Leitender Redakteur
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