Birkenstock hatte sich gegen drei Konkurrenten gewandt, die via Internet Sandalen vertreiben beziehungsweise Sandalen als Lizenznehmer herstellen. Birkenstock verlangte von diesen Unterlassung von Herstellung und Vertrieb, Auskunft, Rückruf und Vernichtung der Sandalen sowie Schadensersatz. Das Unternehmen begründete diese Ansprüche damit, dass die Modelle der Birkenstock-Sandalen urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst im Sinne des § 2 Absatz 1 Nr.4, Abs. 2 des Urhebergesetzes (UHG) seien. Der Erfinder der Birkenstock-Sandale, Karl Birkenstock, Jahrgang 1936, lebt noch. Er machte den Betrieb groß und weltweit bekannt. Das Urheberrecht ist ein starkes Recht, es reicht von der Erschaffung des Werkes während der gesamten Lebenszeit des Schaffenden bis 70 Jahre nach dessen Tod. Mit dem Tod geht das Recht auf die Erben des Schaffenden über. Der Rechtsstreit ging über mehrere Instanzen und die Rechtsprechung tut sich nach wie vor schwer mit einheitlichen Maßstäben. Das Landgericht gab Birkenstock Recht, das Oberlandesgericht der Konkurrenz, der BGH schloss sich dem nun an. Das Verfahren zog sich über Jahre und auch die Rechts- und Fachgutachter kamen zu keiner Einigkeit. Der BGH verpasste es nun, möglicherweise klarstellende Kriterien für die Definition von Kunst zu finden, wenn wir uns im Umfeld von funktionalen und uns im Alltagsleben unterstützenden Stücken befinden. Urheberschutz setze voraus, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und dass der Hersteller diesen in künstlerischer Weise genutzt hat. Ausgeschlossen sei ein freies und kreatives Schaffen hingegen, soweit „technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen“, so der BGH. Um urheberrechtlichen Schutz beanspruchen zu können, fordert das Gericht eine „nicht zu geringe Gestaltungshöhe“. Der Grad dieser Gestaltungshöhe müsse Individualität erkennen lassen. Rein handwerkliches Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente „ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich“. Birkenstock argumentierte, dass sich bei dem Design und bei der Verarbeitung der Sohlenform, beim nicht verblendeten Sohlenschnitt und bei der Materialwahl zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten eröffneten und diese der Erfinder auch genutzt habe. Insofern sei ein ikonisches und typisches Design entstanden, das sich dem Brutalismus zuordnen lasse. Das ist nun wiederum ein Baustil und der Transfer zum Schuhwerk wirkt zumindest ein wenig bemüht. Die dem Stil innewohnende Reduktion auf das Wesentliche ist allerdings bei der Birkenstock-Sandale unverkennbar. Gleiches ließe sich auch über den Tripp Trapp Stuhl sagen. Trotzdem sind unterschiedliche Ergebnisse Realität. Über die Erkennbarkeit der „Individualität“ des Gestalters lässt sich zumindest streiten. Der BGH orientiert sich bei der Klärung der Frage indes zu sehr an Allgemeindefinitionen und bleibt deshalb etwas schwammig, wagt sich nicht aus der Komfortzone seiner bisherigen Prinzipien heraus. Es hätte die Chance bestanden, detaillierter darzulegen, welche Kriterien für die „Gestaltungshöhe“ anzulegen sind und wo genau Grenzen zwischen (noch) reiner Funktionalität und (schon) Kunst verlaufen. Dann hätte sich im nächsten Schritt auch klarer herauskristallisiert, ob die zurzeit für die Bejahung des Urheberschutzes von Gebrauchsgegenständen zu erfüllenden Kriterien nicht als zu hohe Hürden anzusehen sind und angepasst werden müssten. Es bleibt insofern fraglich, ob die Entscheidung des BGH tatsächlich wegweisend ist. Sie liefert Indizien, dass es „irgendwie schwierig“ ist, in diesem Umfeld Urheberschutz zu bekommen und möglicherweise auf den Designschutz beschränkt zu bleiben. Aber haben wir nun wirklich Klarheit?
Ihr
Alexander Pradka
Leitender Redakteur In-house Counsel
Ihr Alexander Pradka
Leitender Redakteur
alexander.pradka@diruj.de