Die Argumentation der CDU/CSU-Fraktion hat etwas für sich. Natürlich ist auf deutsche Unternehmen viel Umsetzungsarbeit zugekommen, was das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz angeht. Aktuell kritisiert sie, dass Unternehmen im im Zuge der aktuellen geopolitischen und geoökonomischen Entwicklungen ohnehin schon sehr stark ausgelastet seien. Es stimmt ja auch, dass internationale Lieferketten vor dem Hintergrund verschiedener kriegerischer Auseinandersetzungen unter Druck stehen und wirtschaftliche Beziehungen weltweit erschwert sind. Da seien Berichtspflichten doch eine zu große Belastung. Jetzt unterstelle ich, dass die meisten vom LKSG adressierten Unternehmen ihre Prozesse längst umgestellt haben, es ist nicht seit gestern erst in Kraft und viele haben sich schon vor dem Inkrafttreten intensiv damit auseinandergesetzt. Und die Weltlage ist auch spätestens seit jenem 24. Februar 2022 eine gänzlich andere als vor diesem Datum. Im Übrigen hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine Schonfrist eingeräumt und wird vor dem Jahreswechsel das Vorliegen der Berichte und deren Veröffentlichung nicht prüfen. Viel schwerer wiegt allerdings ein anderes Argument, was Anfang Juni bereits Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Zuge seines Ansinnens, das LKSG auszusetzen oder zumindest abzuschwächen, solange die Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie nicht erfolgt ist, vorgebracht hat. Es macht nicht so viel Sinn, an der deutschen Lösung festzuhalten, wenn die im April vom Europäischen Parlament beschlossene Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) eigene Bestimmungen enthält, die außerdem über diejenigen im deutschen LKSG noch hinausgehen. Habeck stellte sich damit an die Seite von Wirtschaftsverbänden, die das Argument des Wettbewerbsnachteils für deutsche Unternehmen in die Diskussion eingebracht haben. Die EU-Richtlinie sorgt insoweit für gleiche Regeln für alle innerhalb der Europäischen Union. Habeck hatte gegenüber dem Handelsblatt geäußert, dass der Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards nur dann von Erfolg gekrönt sein könne, wenn die Vorgaben auch die entsprechende Akzeptanz innerhalb der vom Gesetz adressierten Zielgruppe habe.
Im Grunde hätte niemand einen Nachteil, wenn es zu einer Aussetzung des LKSG kommen würde. Diejenigen, die schon sehr gut aufgestellt sind, würden sicher nicht in die Vor-LKSG-Zeit zurückreisen und bereits Erreichtes in Gefahr bringen. Diejenigen, die an der ein oder anderen Stelle noch justieren müssen, profitieren von einem Zeitgewinn, gegebenenfalls können sie zusätzliche Beratungsangebote in Anspruch nehmen – wie die CDU/CSU-Fraktion anlässlich ihrer Initiative vorgeschlagen hat. Mit den bereits gemachten Erfahrungen muss es für den deutschen Gesetzgeber im speziellen Fall LKSG / Europäische Lieferkettenrichtlinie ein Leichtes sein, für eine rasche, transparente und effiziente Umsetzung zu sorgen beziehungsweise die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Es lässt sich bereits auf best Practice zurückgreifen, beziehungsweise auf vorhandene Kritikpunkte eingehen. Die SPD wehrt sich noch und möchte diesen Vorschlag nicht umsetzen. Sogar aus einigen – großen – Unternehmen kommt Kritik an ihm. Gerade für Mittelständler wäre es aber sicher ein Segen. Und wie gesagt, was bisher gewonnen wurde, sollte nicht verloren gehen.
Eine ganz andere Geschichte soll an dieser Stelle ebenfalls Erwähnung finden – aufgrund der nun über Jahre zu beobachtenden Tendenz ist es eine Erfolgsgeschichte: Die Zahl der Syndizi in Deutschland nimmt in großem Umfang zu. In diesem Heft stellen wir im Bereich Job und Karriere detaillierte Zahlen vor, die die Bundesrechtsanwaltskammer zusammengetragen hat. Der Bezug zum LKSG ist schnell hergestellt, die wachsenden Anforderungen durch neue Initiativen sowohl des europäischen wie nationalen Gesetzgebers lassen die Aufgaben immer mehr werden. Andererseits gibt es aber viele positive Aspekte, die die Beliebtheit der Tätigkeit für ein Unternehmen wachsen lassen: Hier ist die Begleitung eines „Falles“ vom Start bis zum Ende möglich, In-house-Juristinnen und -juristen sehen und spüren den Erfolg ihrer Arbeit, sie sind mehr und mehr auch Teil der strategischen Entwicklung ihres Unternehmens – und in den meisten Fällen lassen sich Beruf und Privatleben gut unter einen Hut bringen.
Ihr Alexander Pradka
Leitender Redakteur
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