Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz möchte eine Verschärfung des Wettbewerbs- und Kartellrechts in Deutschland erreichen. Die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sieht zu diesem Zweck drei Schwerpunkte vor. Das Bundeskartellamt soll missbrauchsunabhängige Eingriffsbefugnisse zur Entflechtung bekommen, die Hürden für die kartellrechtliche Gewinnabschöpfung sollen niedriger werden. Und dittens will Robert Habeck eine schlagkräftigere Ausgestaltung der Sektoruntersuchungen realisieren. Kaum hatte der Minister im Deutschlandfunk sein Vorhaben der Öffentlichkeit bekannt gemacht und dies mit den martialisch anmutenden Worten, ein „Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“ einrichten zu wollen, unterstrichen, kam es zu mehr oder weniger erwartbaren Reaktionen. Deutlich in der Mehrheit befinden sich bis jetzt die kritischen Stimmen, die vor allem aus Handel und Wirtschaft kommen, Lob erreicht das Bundeswirtschaftsministerium von denjenigen, denen der Verbraucherschutz am Herzen liegt. Der Anlass für Habecks Vorstoß ist klar: Die Tankrabatte haben nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt und die Beseitigung von Schwachpunkten des Steuerrechts ließ sich zumindest noch nicht durchsetzen. So kommt es zu dem Vorhaben, via Wettbewerbs- und Kartellrecht die Mineralölkonzerne in die Schranken zu weisen. Entsprechend dreht sich in der Berichterstattung auch alles nur um diesen einen Anwendungsbereich, was nachvollziehbar, dennoch einseitig ist. Die Änderungen des Gesetzes sollen ja schon Allgemeingültigkeit haben. Es gibt fernab lobbyistischer Äußerungen sachliche Kritikpunkte an den Überlegungen. Zum einen bewegen wir uns auf dem Mineralölmarkt in einem internationalen Umfeld. Die fünf Unternehmen, die betroffen sind, haben Muttergesellschaften in den Vereinigten Staaten, im Vereinigten Königreich und in Frankreich. Hier mit Mitteln des rein deutschen Kartell- und Wettbewerbsrechts Entflechtungen erreichen zu wollen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Es müssten schon international konzertierte Bestrebungen sein, um an dieser Stelle etwas zu erreichen. Da dafür aber nicht einmal die EU-Ebene ausreicht, ist das eine nur sehr fernliegende Möglichkeit. Was aber nichts daran ändert, dass eine weit reichendere, internationale Zusammenarbeit gerade in wettbewerbs- und kartellrechtlichen Fragestellungen angesichts globaler Märkte und Zusammenschlüsse zeitgemäß und deshalb wünschenswert wäre. Es stellt sich über diesen Aspekt hinaus aber eine weitere Frage: In welcher Form soll sich ganz praktisch betrachtet so eine Entflechtung darstellen? Tankstellen wegnehmen? Raffinerien zerlegen und die Eigenturmsverhältnisse ändern? Auch diese Überlegungen dürften sich im Hinblick auf Sinnhaftigkeit und Umsetzung der Maßnahmen von selbst erledigen. Es ließe sich schließlich nicht verhindern, dass relelativ schnell wieder die vorherigen Verhältnisse hergestellt wären.
Und doch sollte Habecks Idee nicht einfach in der Schublade verschwinden. Grundgedanke eines funktionierenden Wettbewerbs ist, dass Konkurrenten – auch über Preise – in einen fairen Wettbewerb treten. Monopole und Oligopole missbilligen Gesetzgeber und Gesellschaft gleichermaßen. Der Mineralölmarkt ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Wettbewerb außer Kraft gesetzt ist. Dies hinnehmen zu müssen, weil aufgrund der Transparenz keine Absprachen – und mithin kein Kartelle im Sinne des GWB – notwendig sind und eine Entflechtung an der mangelnden Durchsetzbarkeit scheitert, fällt schwer. In diesem Licht ist der Vorschlag, die Hürden für die kartellrechtliche Gewinnabschöpfung zu senken, sehr interessant. Es gibt diese bereits, indes kam sie nie zum Einsatz, weil das Bundeskartellamt einen schuldhaften Kartellverstoß nachweisen müsste. Ein Kartell kommt schon nicht zustande, siehe oben, und wie das mit dem Nachweis von Schuld so ist, wissen alle Juristinnen und Juristen. Bisher ist das also eine rein theoretische gesetzliche Regelung. In diesem Punkt ist die Behörde ein recht kraftloser Tiger, der neue Klauen und Zähne gut brauchen könnte. Eine an sich unerwünschte Machtstellung plus Erzielung saftiger Gewinne auf Kosten der Konsumenten ist zuviel des Erträglichen. Das sollte ein Ansatzpunkt für eine echte Auseinandersetzung sein.
Ihr Alexander Pradka
Leitender Redakteur
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