Berechtigte Hoffnung auf mehr Effizienz

Könnte es nur häufiger so zügig vonstatten gehen mit Gesetzgebung und Rechtsprechung: Mit dem neu geschaffenen § 552 b der Zivilprozessordnung kann der Bundesgerichtshof seit 31. Oktober des vergangenen Jahres ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen, wenn die Revision Rechtsfragen aufwirft, deren Entscheidung für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist. Nur einen Tag später, am 1. November machte der BGH davon prompt Gebrauch.
vom 11. Januar 2025
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Es ist nicht zuletzt ein willkommenes Exempel für eine konkrete Verbesserung, die einen ordentlichen Praxisbezug aufweist. Es kann für die Rechtsfortentwicklung in der Bundesrepublik, für eine Steigerung der Effizienz und für mehr Rechtsklarheit nur von Vorteil sein, wenn das oberste Zivilgericht künftig rechtliche Leitplanken setzen kann, die für zahlreiche andere ähnlich gelagerte Fälle gelten. Nicht mehr möglich ist damit auch die sogenannte Flucht aus der Revision – die für das Rechtswesen teuer, aufwändig und damit ärgerlich war. Dafür ist gerade der nun als erster Leitentscheidungsfall in die Geschichtsbücher eingetragene Sachverhalt rund um den Scraping-Komplex bei Facebook ein ausgezeichnetes Beispiel. Zahlreiche Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer erhoben Schadenersatzklagen gegen den Meta-Konzern. Im April 2021 hatten Unbekannte Daten von rund 500 Millionen bei dem Social-Media-Dienst Registrierten im Darknet veröffentlicht, darunter den Vor- und Nachnamen, die Mobilfunknummer und das Geschlecht. An die Daten waren sie zunächst über die damals noch existente Suchfunktion von Facebook gelangt. Selbst dann, wenn die Mobilfunknummer nicht aktiv geschaltet war, konnten Nutzer der Plattform über diese identifiziert werden. Als die Suchfunktion nicht mehr zur Verfügung stand, sammelten sie weitere Daten über die Kontaktimportfunktion. Wegen dieses Datenlecks waren und sind auch in der Bundesrepublik viele Verfahren anhängig, in denen es meist um potenzielle Schadensersatzansprüche wegen eines erlittenen immateriellen Schadens geht. Die Gerichte haben dazu unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Beim BGH lagen mehrere Revisionen vor. Zahlreiche wurden aber eben wieder zurückgenommen, weil sich der Meta-Konzern und Facebook-Nutzer außergerichtlich geeinigt haben. Mitte Oktober berichtete die Stiftung Warentest von „Schweigegeld“, das Meta seinen Kunden zahle. Das ist in derartig gestalteten Verfahren durchaus Usus. Und vor jenem 31. Oktober konnte der BGH wegen der Bindung an den Willen der nun nicht mehr streitsuchenden Parteien keine Entscheidung mehr treffen. Es ist nur gut, dass das jetzt anders ist. Trotz Rücknahme der Revision aus prozesstaktischen Gründen ist nun eine zügige höchstrichterliche Klärung möglich.

 

Dass dieses „zügig“ keine Floskel war, belegte der BGH mit seiner raschen Entscheidung kaum drei Wochen später. Ja, auch der kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung kann einen immateriellen Schaden begründen. Weder müsse insoweit eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten zum Nachteil des Betroffenen erfolgt sein noch bedürfe es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen. Er hat auch Hinweise zur Bemessung des immateriellen Schadens erteilt und ausgeführt, warum unter den Umständen des Streitfalles von Rechts wegen keine Bedenken dagegen bestünden, den Ausgleich für den bloßen Kontrollverlust in einer Größenordnung von EUR 100 zu bemessen. Damit können die Vorinstanzen arbeiten. Es besteht die Hoffnung, dass sich auch der Sturm an Massenklagen effizienter bändigen lässt. Lange hat es nicht gedauert, bis die entsprechende Ankündigung kam – am 9. Dezember des Vorjahres reichte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine Sammelklage gegen Meta ein. Die Sammelklage richtet sich an Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer, die vom im Jahr 2021 bekannt gewordenen Facebook-Datenleck betroffen waren. Ihnen stehe voraussichtlich ein Betrag in Höhe von mindestens 100 Euro Schadenersatz zu, so der vzbv. Für Verbraucher und Verbraucherinnen, die sich der Sammelklage anschließen, ist die Klage nicht mit Kosten verbunden. Das geht allerdings erst, sobald das Bundesamt für Justiz das Klageregister eröffnet. Ich bin guter Dinge, dass es mit dem Leitentscheidungsverfahren nun ein Vorbildinstrument gibt, mit dem sich Streitigkeiten praxisgerecht lösen lassen.

Ihr Alexander Pradka 

Leitender Redakteur 

alexander.pradka@diruj.de

Beitrag von Alexander Pradka

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