Das “Wir” stärker machen als das Virus

Dass die Corona-Pandemie einen Einfluss auf die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat, dürfte kaum jemand bestreiten. Auch in den Rechtsabteilungen hat sich der Arbeitsalltag gravierend verändert. Wie zwei General Counsel stellvertretend für (hoffentlich) viele damit umgehen, schildert der folgende Beitrag.
vom 8. Januar 2022
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Bereits Mitte 2020 sah das Mainzer Marktforschungsun-ternehmen 2HMforum voraus, was die Corona-Pandemie bei den Beschäftigten auslösen kann. In einer Sondererhebung ihrer Studie „Mitarbeiterfocus Deutschland“ spürten die Sozialwissenschaftler den Bindungskräften zwischen Unternehmen und Beschäftigten nach. Das Ergebnis: Sie lassen nach. Besonders stark machte sich die Krise bei den Leitern von Teams und Abteilungen bemerkbar. Mehr als jede zweite Führungskraft (55 Prozent) leidet unter den Auswirkungen der Pandemie in seinem Arbeitsumfeld.

 

Inzwischen ist nahezu jeder zweite Arbeitnehmer betroffen, sei es durch Kurzarbeit, durch Budgetkürzungen, durch persönliche Ängste, durch Beförderungsstopps, durch die Verschlechterung der Geschäftslage – oder durch das Ar-beiten im Homeoffice. Neu war das freilich nicht für je-den. Schon vor der ersten Pandemiewelle konnten die 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nordzucker AG in Braunschweig, darunter sechs Volljuristen und vier Wirtschaftsjuristen, auf Wunsch an einzelnen Tagen zu Hause arbeiten. „Im März 2020 sind wir dann alle von heute auf morgen ins Homeoffice gegangen“, erinnert sich Torsten Bigalke, als Head of Legal & Governance auch für Internal Audit, Risikomanagement und Versicherungen zuständig. „Dass man sich ab dann nur noch elektronisch sah, bedeu-tete für alle einen großen Einschnitt. Die ‚Isolation‘ war für alle neu und ungewohnt. Vieles ist schwieriger geworden.“ Unter den Kollegen waren junge Eltern, die ihre Kinder nun von zu Hause betreuen mussten, aber auch Mitarbeiter, die ganz alleine leben. „Da muss man individuelle Lösungen finden“, sagt Bigalke. Was für den Leiter Recht nur eines hieß: „Häufiger als bisher miteinander sprechen und vor allem: Flexibilität beweisen.“

 

Noch stärker stieg das Stresslevel in der Folgewelle im Winter 2020/21. „Wir hatten die Freiheit teilweise über den Sommer zurückgewonnen, Energie aufgetankt, die Batterien waren wieder aufgeladen – und dann mussten wir wieder einen Schritt zurück.“ Zu spüren war das an der Stimmung, am Gemütszustand der Kollegen, gerade auch bedingt durch die Wintermonate. Bigalke sah das Risiko: „Wenn die Leute allein im Homeoffice sitzen, besteht die Gefahr, dass sie den Anschluss zum Team verlieren.“ Während der Pandemie hatte die Rechtsabteilung MS Teams eingeführt. „Dass wir uns darüber sehen konnten, war ein deutlicher Fortschritt. Damit kam man sich zwischenmenschlich näher.“

In der zweiten Jahreshälfte 2021 wurde die mobile Arbeit eingeführt. Bei Nordzucker heißt das Konzept „Mobile-Office“ und bedeutet, dass die Mitarbeitenden bis zu 60 Prozent der Arbeitszeit zu Hause arbeiten können. Ansonsten sehen sich die Kollegen im Büro. „Die Rückkehr an den Arbeitsplatz lief zögerlich an“, sagt Torsten Bigalke. „Bis die soziale Nähe wieder da war, hat es einige Zeit gedauert. Am Anfang hat es sich sehr ungewohnt angefühlt, die Kolleginnen und Kollegen wieder ‚in echt‘ zu sehen.“ Gerade, als sich alle an die neue Bürosituation und die damit verbundenen Vorteile gewöhnt hatten, wurde mit der vierten Corona-Welle im November Mobile Office wieder ausgesetzt. Jetzt hieß es wieder: Zurück ins Homeoffice. „Die Angst vor der erneuten Isolation war sofort wieder spürbar“, sagt der Leiter Recht. Für Ende November war ein Teamevent geplant, auch mit den Kollegen von auslän-dischen Standorten, mit einem Rundgang über den Weih-nachtsmarkt und einem gemeinsamen Abendessen. „Das ist natürlich geplatzt“, sagt Bigalke. „Dafür habe ich zu einem Online-Teammeeting eingeladen, in dem wir uns die Zeit für uns selbst nahmen.“ Rückblickend stellt er fest: „Die Herausforderungen der Pandemie haben uns noch näher zusammengebracht.“ Und gezeigt, wie wichtig es ist, dass der Zusammenhalt gewahrt bleibt.

 

Gerade in Krisenzeiten gilt es, die Sorgen der Mitarbeiter ernst zu nehmen und darauf einzugehen. Das heißt aber nicht, unverdrossen den Gute-Laune-Bär zu geben oder verbale Beruhigungspillen zu verteilen, deren Wirkung oft schon verfliegt, wenn die Tür zum Chefbüro ins Schloss fällt. Gute Chefinnen und Chefs wissen, was jeder einzelne Mitarbeiter jetzt braucht. „Die persönliche Ebene ist nicht zu unterschätzen“, weiß Dr. Klaus Cannivé, seit 2016 Head of Legal & Compliance bei der Haribo Group in Grafschaft bei Bonn. Vor drei Jahren bekam er den Bereich Internal Audit dazu. Seither bemüht sich der Jurist, den Leistungsbedarf des Unternehmens und die Arbeitszufriedenheit seiner Mitarbeiter in Übereinstimmung zu bringen. Ein Patentrezept gebe es nicht, sagt Cannivé, das werde von Führungskraft zu Führungskraft unterschiedlich gehandhabt. Obwohl die Kommunikation mittlerweile häufig virtuell vonstattengehe, hält er das persönliche Gespräch für unverzichtbar: „Recht ist ein ‚people’s business‘“.

„Man kann sich nicht oft genug zusammensetzen, neben dem inhaltlichen Austausch auch informell bei einem Kaffee oder beim Mittagsessen“, rät der Leiter Recht. Schwieriger wird dies bei standortübergreifenden Teams. Dann hilft es, auch den informellen Austausch bewusst herbeizuführen, zum Beispiel über einem virtuellen Plausch bei Kaffee oder Tee, um den persönlichen Kontakt außerhalb der rein fachlichen Themen aufrecht zu halten.

 

Covid-bedingt war auch bei Haribo die physische Präsenz im vergangenen Jahr eher der Ausnahme als die Regel. Um den direkten Austausch zu forcieren und den Teamspirit weiter zu verbessern, hält Cannivé Teamevents für ein probates Mittel. „Wir hatten das Glück, noch im Oktober ein Off Site durchführen zu können“, sagt er. „Wir besprachen viele Themen, deren Diskussion uns im Jahre 2022 sehr helfen wird.“ Aber einer der zentralen Unternehmenswerte von Haribo ist nun einmal die kindliche Freude: „Daher hatten wir natürlich auch eine Verpflichtung, auch dem beim Off-Site nachzukommen“, sagt Cannivé lachend. Und Identifikation mit den Unternehmenswerten und Spaß bei der Arbeit und im Team dürften nicht nur bei Haribo ein Schlüssel zur Mitarbeiterbindung sein… 

Interviewpartner

Torsten Bigalke
ist Head of Legal & Governance bei Nordzucker.

Cannive

Dr. Klaus Cannivé
ist Head of Legal & Compliance bei der Haribo Group.

 

 Christine Demmer

Beitrag von Elisabeth F.

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