Bei diesem Arbeitsmodell gibt es nur Gewinner

Während des Lockdowns blieb den meisten Unternehmensjuristen gar nichts anderes übrig, als zu Hause zu arbeiten. Viele sind dabei auf den Geschmack gekommen und würden gern mehr im Homeoffice oder anderswo arbeiten. Andere dagegen sind heilfroh, wieder ins Büro zu dürfen. Hybride Arbeitsmodelle lassen ihnen die Wahl. Und die Firma hat auch etwas davon.
vom 8. Januar 2022
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Als zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 die Büros dicht gemacht wurden, hat die Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice vielerorts bemerkenswert gut geklappt – auch ohne Notfallplan aus der Schublade. „Wir mussten uns nicht großartig Gedanken darüber machen“, sagt Julia Weber, Head of Group Legal & Compliance bei der Varta AG. „Mein Team hat grundsätzlich die Wahl, von wo aus es arbeiten möchte.“

Was noch vor 20 Jahren einen Aufschrei in den Chefetagen ausgelöst hätte, ist heute State of the Art. Hybride Arbeitsmodelle erlauben Mitarbeitern, die für sie beste Arbeitsweise und den idealen Arbeitsort zu nutzen. Das kann das Büro sein oder der Schreibtisch zu Hause, das gemütliche Café mit WLAN oder ein Coworking-Space, wie er mittlerweile zu Dutzenden in jeder Großstadt zu finden ist. Technisch ist das dank Laptop und Internet ein Kinderspiel. Und eine Vielzahl von Studien hat nachgewiesen, dass eigenverantwortlich arbeitende Menschen zufriedener, motivierter und produktiver sind als ihre zur Arbeit im Büro verdonnerten Kollegen.

 

Zur Selbstbestimmung gehört allerdings auch die Freiheit, im Büro zu arbeiten, während die Kollegen andernorts tätig sind. Wenn dann eilig eine Entscheidung getroffen werden muss oder eine Frage auftaucht und der zuständige Mitarbeiter nicht sofort erreichbar ist, kann die Stimmung schon mal unter den Gefrierpunkt fallen. Und bis man sich dann wieder persönlich unter die Augen kommt und die Sache ausräumen kann, hat der Igel im Magen schon seine Stachel ausgefahren und die Laune verdüstert.

 

Auch deshalb sprechen sich Organisationsexperten zwar grundsätzlich für die Freiheit der mobilen Arbeit aus – aber nicht uneingeschränkt. Führungskräfte bestätigen: Zur Sicherung des Kommunikationsflusses und des Teamgeistes sowie zum Ausräumen atmosphärischer Störungen sind regelmäßige persönliche Treffen unabdingbar. Axel Haunschild, Arbeitswissenschaftler an der Universität Hannover, nennt noch einen vierten Grund: „Teams, die sich schon gut kennen, können auch im Homeoffice funktionieren“, versichert der Professor. Aber vielen falle es leichter, sich zu öffnen oder ihre Kreativität einzubringen, wenn sie persönlich zusammenkommen. Haunschild sieht deshalb in Zukunft keine virtuelle Arbeitsgesellschaft aufkommen. Sondern: „Es wird viel mehr Hybridlösungen geben, wo man einen Teil der Arbeit im Büro verbringt, einen Teil zu Hause.”

 

Freilich unter einer Rahmenbedingung: Zu bestimmten Zeiten herrscht Anwesenheitspflicht im Büro. Das ist keine Schikane, sondern kommt sowohl der betrieblichen Notwendigkeit als auch den Bedürfnissen der Mitarbeiter entgegen. Nach einer YouGov-Umfrage vom Oktober 2020 vermisst rund die Hälfte der Befragten, die grundsätzlich im Homeoffice arbeiten können, bei einer rein digitalen Zusammenarbeit den informellen Austausch mit den Kollegen.

In der Rechtsabteilung von Varta im württembergischen Ellwangen – an der Seite von Julia Weber arbeiten zwei Legal Counsel und eine Assistenzkraft – verfolgt man ein Hybridmodell, das allen Seiten gerecht wird. „Einer meiner Mitarbeiter wohnt weit entfernt und arbeitet dauerhaft im Homeoffice“, sagt Weber. „Die anderen und ich sind vorwiegend im Büro.“ Wer in Ruhe über einem Schriftsatz brüten möchte, kann das gerne von zu Hause tun.

 

Vorausgesetzt, die Kollegen wissen Bescheid. Julia Weber: „Das funktioniert ganz wunderbar.“ Jeden Montagvormittag kommen alle zum Teammeeting zu-sammen. „Darin wird die kommende Woche besprochen“, sagt die Rechtsanwältin. „Wer ist wo, welche Aufgaben stehen an.“ Die Teilnahme ist für alle Mitarbeiter verbindlich. Zusätzlich gibt es im Abstand von zwei, drei Wochen Einzel-gespräche, sogenannte One-on-ones, zwischen Weber und ihren Teammitgliedern. „Diese Regelmeetings finden immer statt, ob der Mitarbeiter nun zu Hause arbeitet, dann via Da-tenleitung, oder im Büro“, sagt die Juristin. Sie ersetzten aber keinesfalls die persönlichen Zusammenkünfte. Die Juristin bemüht sich um regelmäßig Teamevents. „In diesem Rahmen besprechen wir auch Projekte. Aber die gemeinsame Zeit soll im Vordergrund stehen.“

Ebenso freiheitlich geht es beim Berliner DAX-Aufsteiger HelloFresh zu. Das Unternehmen erlaubt jedem der rund 6.500 Mitarbeitenden, die Hälfte der Arbeitszeit außerhalb des Büros zu verbringen. Group General Counsel Dr. Chri-stian Ries spricht von durchweg positiven Erfahrungen mit diesem Hybridmodell: „Viele Teammitglieder empfinden ihren Arbeitsalltag als deutlich entspannter, weil die Koordination von Familienleben, persönlichen Terminen und Alltag we-sentlich einfacher ist und zudem noch Fahrtzeiten zum Arbeitsplatz eingespart werden können.“ Kommuniziert wird im Wesentlichen über E-Mail, Telefonate und virtuelle Meetings. „Der Aufenthaltsort der jeweiligen Mitarbeiter ist daher kaum von Relevanz“, sagt der Syndikusrechtsanwalt. „Solange eine Verbindung zum Internet besteht, können wir überall auf E-Mails und Dokumente zugreifen und recherchieren.“ Drei Mal in der Woche kommt das Team der Rechtsabteilung zum morgendlichen „Check-In“ zusammen, so dass jeder über alle wesentlichen Entwicklungen informiert ist. „Zudem treffen wir uns alle an einem Tag in der Woche im Büro“, setzt Ries hinzu. Die anderen Anwesenheitstage könne jeder Mitarbeitende nach seinem Belieben bestimmen. „Diese Fixpunkte reichen aus, um die Abteilung zusammenzuhalten.“ Kontrollen bedürfe es nicht, sagt der Jurist. „Alle Kollegen gehen sehr verantwortungsbewusst mit der eingeräumten Freiheit um.“ Kaum jemand glaubt, dass die von der Pandemie erzwungenen Veränderungen rückgängig gemacht werden. Auch Varta-Justiziarin Julia Weber ist überzeugt, dass die hybride Arbeitsweise den Praxistest bestanden hat. „Die größte Herausforderung ist es, die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erkennen und zu beachten“ sagt sie. Wenn jemand mit dem Homeoffice nicht klar komme, kann und werde er das sagen. „Nicht jeder kommt gleich gut damit zurecht“, weiß Ries. „Aber passende Lösungen können immer gefunden werden.“  

Interviewpartner

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Julia Weber ist Head of Group Legal & Compliance bei der Varta AG.

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Dr. Christian Ries ist Head of Group Legal & Compliance bei der Varta AG.

 

 Christine Demmer

Beitrag von Elisabeth F.

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