Mitte September entschied das Bundessozialgericht über einen lange schwelenden Gerichtsstreit. Seit dem 1. Januar 2003 war eine Juristin als Rechtsanwältin zugelassen. Sie war für einen Verband als Syndikusrechtsanwältin tätig. Zum 1. Oktober 2003 befreite die Deutsche Rentenversicherung die Anwältin von der Versicherungspflicht. Wörtlich enthielt der Bescheid der die Aussage: „Auf Ihren Antrag werden Sie von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit.“ Noch vor der Rechtsbehelfsbelehrung war außerdem zu lesen: „Die Befreiung gilt für die oben genannte und weitere berufsspezifische Beschäftigungen / Tätigkeiten, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben beziehungsweise Beiträge in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären.“ Der Knackpunkt liegt in den Worten „weitere berufsspezifische Beschäftigungen“. Das lässt sich durchaus so verstehen, dass der Bescheid – und die Befreiung – bei gleichbleibender Tätigkeit als Syndikus bei anderen Arbeitgebern weiterhin gelten. Ab dem 1. Juli 2007 war die Rechtsanwältin bei einem anderen Arbeitgeber angestellt, einen neuerlichen Antrag auf Befreiung aus der Rentenversicherung stellte sie nicht. Anlässlich einer Betriebsprüfung meldete sie der Arbeitgeber ab Januar 2015 als versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung an und entrichtete die Pflichtbeiträge. Sie selbst beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung die Feststellung, dass die im früheren Bescheid ausgesprochene Befreiung weiterhin gelte – ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat ihre Klage abgewiesen, das Landessozialgericht auf ihre Berufung hin die angefochtenen Bescheide zum Teil aufgehoben, die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Der frühere Befreiungsbescheid umfasse die aktuelle Tätigkeit nicht, hieß es in dem Urteil, mit dem Wechsel der Beschäftigung habe sich dieser erledigt, einen neuen Antrag habe sie nicht gestellt. Der Passus zur Befreiung „für weitere berufsspezifische Beschäftigungen“ sei lediglich ein Hinweis ohne Verwaltungsaktqualität. Die Syndikusanwältin legte Revision beim Bundessozialgericht ein. Dieses bestätigte im Verhandlungstermin am 19. September die Ansicht des Landessozialgerichts: Die mit dem früheren Bescheid im Jahr 2003 erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft nur die damals ausgeübte Tätigkeit und umfasst nicht die von der Klägerin ab 1. Juli 2007 bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübte Beschäftigung. Laut BSG sei erkennbar, dass sich der Bescheid nur auf diese eine konkrete Beschäftigung bezieht: Aus Sicht eines verständigen Empfängers enthalte er allein im Eingangssatz in Verbindung mit den ihm unmittelbar folgenden und ihn konkretisierenden Ausführungen einen Verfügungssatz mit Regelungscharakter und damit einen Verwaltungsakt. Dass es sich bei dem zu befreienden Beschäftigungsverhältnis nicht pauschal um eine Tätigkeit als “Rechtsanwältin” handele, ergäbe sich unter anderem aus der separaten Feststellung des konkreten Beginns der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk und der Berufskammer. Der Befreiungsbescheid bestimme den Beginn der Befreiung demnach nach dem Beginn des damaligen Beschäftigungsverhältnisses und dem konkret darauf bezogenen Antrag. Mit der Aufgabe der damaligen Beschäftigung hat sich laut BSG der frühere Bescheid damit erledigt. Die Aussage „weitere berufsspezifische Beschäftigungen“ sei nur ein allgemeiner und unbestimmter Hinweis. Das sei für die Anwältin so auch erkennbar gewesen. Eine Einbeziehung der späteren Beschäftigung kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs oder aus Vertrauensschutzgründen erfolgen, so das BSG abschließend.
■ Alexander Pradka