Was liegt bei der General Counsel von Deutschlands größter Molkereigenossenschaft aktuell auf dem Schreibtisch? Mit welchen Themen beschäftigt sich das Team?
Wir unterscheiden zwischen Teamthemen und Fachthemen. Im Team haben wir beispielsweise gerade eine digtiale Roadmap entwickelt, um uns hier zukunftssicher aufzustellen. Wir schauen dabei, wo wir uns über das bisher erreichte Maß hinaus weiter entwickeln können, und wie die Digitalisierung unsere Arbeit noch weiter erleichtern kann. Seit letztem Jahr haben wir über Office 365 eine Legal-Content-Seite, die wir selbst erstellt haben und die als Anlauf- und Informationsstelle für die Fachabteilungen bei DMK dient. Sie sehen dort, wer im Team Legal welches Thema verantwortet, was die Rechtsabteilung insgesamt macht und nach welchen Richtlinien sie handelt. Wir haben zudem eine Schulungsreihe ins Leben gerufen, die sich „Law meets Business“ nennt und in der sich alle Mitarbeitende der DMK Group zu gängigen juristischen Fragen in ihrem Arbeitsalltag informieren können. Im unternehmenseigenen Schulungsportal können direkt Termine vereinbart werden. Im Hinblick auf eine digitale Weiterentwicklung sprechen wir beispielsweise über einen NDA-Creator oder NDA-Checker, um das Handling von Vertraulichkeitsvereinbarungen zu erleichtern und über die Frage, inwiefern Künstliche Intelligenz uns bei unserer Arbeit generell weiterbringen kann. Fachlich bewegt uns zurzeit ESG, nach wie vor das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, aber auch das Agrarorganisations-Lieferkettengesetz, das für die Kundenbeziehungen enorm wichtig ist. Und natürlich beschäftigen uns die Neuerungen des Genossenschaftsgesetzes. Beispielsweise gibt es Beitragsformulare für Landwirte auch digital. Immer mehr Gewicht bekommt die Rolle der Rechtsabteilung im Krisenmanagement, hier sind wir als Ansprechpartner fest verankert.
Aus Rechtsabteilungen ist zunehmend zu hören, dass sie stark an die verschiedenen Geschäftsbereiche im Unternehmen angedockt sind. Wie sehr lebt Ihr Interdisziplinarität?
Wir gehen proaktiv vor und merken, dass wir damit Hindernisse beseitigen. Eine gewisse Distanz in den Fachabteilungen kann entstehen, wenn unsere Empfehlungen nicht immer den Wünschen entsprechen können – das kenne ich auch. Um das gegenseitige Verständnis weiter zu erhöhen, haben wir die bereits genannte Schulungsreihe „Law meets Business“ entworfen, aus der auch die Kampagne „Law needs Business“ beziehungsweise „Business needs Law“ entstanden ist. Was wir zudem zur Verfügung stellen – neben der Schulung sind das auch konkrete Arbeitserleichterungen wie beispielsweise die Einführung eines CLM (Contract Life-Cycle-Managements) oder Mustervorlagen für Verträge – das kommt gut an. Ebenso verfolgen wir den Ansatz, nicht einfach zu sagen, dass etwas rechtlich nicht umsetzbar ist, sondern Alternativlösungen zu entwickeln. Wir legen zudem alle Fakten auf den Tisch und lassen auch bei den potenziellen Konsequenzen nichts aus. So wirken wir darauf hin, dass sehr fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Nicht zuletzt erzielen wir über einen intensiven kommunikativen Austausch große Fortschritte. Zusammenfassend würde ich sagen: Wir sind auf einem sehr guten Weg, ein echter Partner für die Geschäftsbereiche zu sein.
Hinter der DMK Group steht die größte Molkereigenossenschaft Deutschlands, die wiederum in den Händen von Landwirten ist. Wie wirkt sich das auf Eure Arbeit aus?
Ich bin sehr froh, seit nunmehr 20 Jahren im Unternehmen an der Schnittstelle zu den genossenschaftlich organisierten Landwirten zu arbeiten. Natürlich gibt es da auch unterschiedliche Interessen, aber diese zu moderieren und zu beraten, ist ebenso herausfordernd wie erfüllend. Vielleicht habe ich das von meinem Vater gelernt, der eine große Maschinenbaufirma in Bulgarien geleitet hat: Er hat immer die Wichtigkeit betont, sich in die Lage des anderen zu versetzen, sich quasi einmal auf den Stuhl seines Gegenübers zu setzen. Ich mag es, mich auf den unterschiedlichen Gremienveranstaltungen mit den Landwirtinnen und Landwirten zu unterhalten und zu erfahren, was sie auf den Höfen umtreibt, wie sich Themen bei ihnen entwickeln. Und bei einem Verständnis für ihre Themen und Herausforderungen gleichzeitig auch die wirtschaftlichen Aspekte eines produzierenden Unternehmens wie der DMK zu sehen. Ich finde es sehr spannend, beide Seiten zu verbinden und als Jurist an der Schnittstelle zu beraten und zu versuchen, das Gleichgewicht zu halten.
Du sprichst die Rolle des General Counsel als „Vermittler“ an. Für diese besondere Fähigkeit bist Du bekannt. Woher hast Du sie?
Das liegt ein Stück weit an meiner Lebensgeschichte: Ich bin gebürtige Bulgarin und bin mit acht Jahren nach Ost-Berlin gekommen, das einzige deutsche Wort, das ich kannte, war „Weintraube“. Von 1982-1986 habe ich an der Rosa-Luxemburg OS in Pankow gelernt. Mein Vater war Ingenieur und Diplomat, aufgrund seines Jobs bin ich mit der Familie nach Westdeutschland gekommen. Hier habe ich mich weiterentwickelt. Seit 1986 lebe ich in Hamburg, dort habe ich auch meinen Abschluss gemacht. Schnell wurde mir klar, dass die Reise von Bulgarien-Berlin-Hamburg in der Zeit des Kalten Krieges dazu führte, dass ich zwischen diesen Ländern/Städten und den Freunden, die ich jeweils hatte, vermitteln musste, da völlig unterschiedliche Sichtweisen aufeinander prallten. Ich glaube, dass genau diese Stärke des Vermittelns zwischen unterschiedlichen Menschen und Meinungen ich heute im Rechtsanwalts-Beruf erfolgreich ausübe.
Auch Eure Branche ist stark von der Regulierung betroffen. Wie geht Ihr mit diesem Thema um?
Das ist richtig. Lebensmittel sind sehr sensible Produkte. In Punkto Regulierung geht es hier um die gesamte Lieferkette. Sprich sowohl um die Herstellung und den Inhalt der Produkte als auch um deren Verpackung. Das betrifft alle Produktkategorien im In- und Ausland mit jeweils unterschiedlichen Regelungen in den jeweiligen Jurisdiktionen. Ich spanne an dieser Stelle auch den Bogen zu den externen Partnern, also die Zusammenarbeit mit den Anwältinnen und Anwälten. Die gemeinsame Vorbereitung ist enorm wichtig. Denn wir brauchen Partner, die zuverlässig Hinweise auf mögliche juristische Fallstricke liefern.
Einblicke …
War dein Berufswunsch schon immer Juristin?
Ursprünglich wollte ich Filmregie in Babelsberg bei Potsdam studieren. Leider waren die Connections, die man dafür benötigt, in unserer Familie nicht vorhanden. Die zweite Idee war, etwas mit Sprachen zu machen. Aber ich beherrsche schon neben bulgarisch und deutsch, russisch, französisch und englisch. Da wusste ich nicht recht, welche Sprache es sein soll. Dann kam ich auf die Idee, Jura zu studieren – und ich habe das nie bereut.
Wenn man Dich nicht am Arbeitsplatz trifft, wo findet man Dich?
Tanzen war und ist eine Leidenschaft, früher habe ich sogar in der Bundesliga getanzt, Jazz und Modern Dance. Unsere Formation existiert heute noch, aber wir tanzen nur noch auf Partys oder auf Hochzeiten und Silberhochzeiten oder runden Geburtstagen. Meine Familie ist mir sehr wichtig, mein Mann und mein Sohn. Wir reisen gerne und machen regelmäßig Ausflüge.
Was ist Deine bevorzugte Literatur?
Ich lese gerne Krimis und habe aktuell die Geschichten von Sherlock Holmes und Dr. Watson für mich entdeckt. Dazu kommen Klassiker, für die ich früher nicht so viel Zeit hatte, wie Krieg und Frieden.
Vom Lesen zum Hören. Was ist Deine bevorzugte Musik?
Ich bin ein Fan von Michael Jackson und von Jennifer Lopez. Wenn ich Soul-Musik höre, kann ich sofort die Schritte dazu und weiß, wie mein Tanz aussieht. Aber auch Hip-Hop höre ich gerne.
Den perfekten Tag gibt es nicht. Wie würde denn der fast perfekte Tag aussehen?
Da wäre ich gerne mit meinem Mann, meinem Sohn, meiner Mutter und meiner Schwester – mein Vater lebt leider nicht mehr – bei einem Spiel von meinem Neffen Fabian Nürnberger, der dann am besten ein Champions-League-Spiel absolvieren würde. Aktuell ist das ein Wunsch, er spielt bei Darmstadt 98 in der zweiten Liga – ist jüngst aber immerhin zum bulgarischen Nationalspieler berufen worden. Er ist schon der große Stolz der Familie.
Eliza Borsos, Group General Counsel bei der DMK Deutsches Milchkontor GmbH
Zeit ihres Berufslebens hat Eliza Borsos als Unternehmensjuristin gearbeitet. Sie liebt die Kombination aus Business und Recht, den Austausch mit Fachabteilungen, von denen sie das Wissen – wie sie sagt – „wie ein Schwamm aufsaugt“, um zu verstehen, worum es geht und auf dieser Basis bestmöglich zu beraten. Und sie ist auch ihrer Branche treu: Nach dem zweiten Staatsexamen fing sie bei der Nordmilch an, die 2011 mit der Humana Milchindustrie GmbH in der DMK Deutsches Milchkontor GmbH fusionierte. Dort ist sie seitdem beschäftigt, nach der Tätigkeit als Leiterin Gesellschafts- und Vertragsrecht und General Counsel sowie Chief Compliance Officer heute als Group General Counsel. Sie leitet eine Abteilung mit vier Juristen – sämtlich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – sowie drei Assistentinnen, darunter eine Fachwirtin/Legal Operation Officer und eine Rechtsanwaltsfachangestellte.
Das Interview führte Alexander Pradka