Wie fällt Ihr erstes Zwischenfazit aus, welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht?
Der Start war super, dank vieler extrem smarter Kolleginnen und Kollegen, ich habe ein tolles Team, das mich vom Start weg hervorragend unterstützt hat. Täglich erlebe ich hier ein extrem starkes Commitment, das motiviert und inspiriert mich gleichermaßen. Und alle – selbst diejenigen, die schon lange bei Microsoft tätig sind – spüren, dass wir durch die Arbeit an und mit Künstlicher Intelligenz eine ganz besondere Phase in der ohnehin schon beeindruckenden Unternehmenshistorie miterleben. Diese Entwicklung zu begleiten und mitzugestalten, erfüllt alle gleichermaßen mit Begeisterung und Stolz.
Sie waren sowohl in einer Sozietät und in einem großen Beratungsunternehmen tätig, jetzt arbeiten sie in-house. Wo liegen jeweils die Vorzüge?
In der Kanzlei ist die große Bandbreite an Branchen und Themen wertvoll. Ich habe sehr viele unterschiedliche Geschäftsmodelle kennengelernt. Es war von großem Nutzen, sich spezialisieren zu können – in meinem Fall auf das IT- und Datenrecht. Ein weiteres Privileg ist die sehr tiefgehende Beschäftigung mit der Materie. In-house ist meine Arbeit sehr eng an den unmittelbaren Geschäftsthemen und strategischen Zielen des Unternehmens orientiert. Dabei ist es wunderbar, in einer entscheidenden Phase wie jetzt so nah an den Weichenstellungen dran zu sein und den Weg aus rechtlicher Perspektive zu begleiten. Die Übersetzung aus der rechtlichen Theorie in die unternehmerische Praxis ist eine reizvolle intellektuelle Herausforderung, der ich mich sehr gerne stelle. Bei Microsoft habe ich außerdem den Vorzug, interdisziplinär sowie mit vielen verschiedenen Kulturen und Gepflogenheiten zusammenzuarbeiten. Es ist faszinierend, wie es hier trotz der signifikanten Unternehmensgröße gelingt, eine gemeinsame Kultur zu prägen, die sehr wichtig ist auf der Mission zur Verwirklichung der Unternehmensziele. Dazu zählt auch das sogenannte „Growth Mindset“, wonach der Anspruch nicht ist, alles von vorneherein zu wissen und zu können, dafür aber die Bereitschaft zu haben, sich ständig weiterzuentwickeln, zu lernen und mit den Aufgaben zu wachsen.
Blicken wir auf das aktuelle Geschehen. Welche Aufgaben liegen auf dem Schreibtisch des Head of Legal Germany bei Microsoft?
Microsoft Deutschland ist sehr vertrieblich orientiert und daher unterstützen ich und mein Team vorrangig unsere Sales Organisation. Wir liefern die rechtliche Unterstützung für Transaktionen und Deals, somit leisten wir einen unmittelbaren Beitrag zur Erreichung der Umsatzziele. Zudem steht die Beschäftigung mit Künstlicher Intelligenz weit oben auf unserer Agenda, ganz gleich, ob es in dem Zusammenhang um strategische Initiativen geht oder die themenbezogene Interaktion mit Kunden. Dazu zählen auch Events und inhaltliche Beiträge, die wir als Team ausformen. Dazu kommt bei mir der intensive Austausch mit Behörden und anderen Entscheidungsträgern.
Wie ausgeprägt arbeitet die Rechtsabteilung von Microsoft mit Künstlicher Intelligenz?
Tatsächlich hat mich sehr beeindruckt, dass bei Microsoft KI schon seit 2016 ein großes Thema ist. 2018 hat das Unternehmen den ersten eigenen Responsible AI Standard entwickelt, der die Prinzipien und deren Anwendung für den Umgang mit KI bei Microsoft festlegt. Entsprechend früh war auch die Rechtsabteilung mit im Boot und etwa die interne Automatisierung des Vertragswesens ist keine Besonderheit mehr. Das nach außen hin vermutlich prominenteste Produkt ist der Copilot in der Bürosoftware M365, der mir bereits beim Onboarding sehr geholfen hat. Derzeit sind wir gerade dabei, eigene Legal Copilots und Copilot Agents für verschiedene Anwendungsbereiche zu bauen. Der interne Bedarf nach KI-Anwendungen und deren Nutzung werden regelmäßig über interne Umfragen und Tests innerhalb unserer Corporate External Legal Affairs Organisation überprüft, die weltweit mehr als 2.000 Leute zählt.
Die Digitalbranche steht sehr stark im Fokus aktueller Regulierungsaktivitäten. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
Die zunehmende Regulierung ist Folge der gestiegenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Technologiebranche. Insofern ist es fair zu sagen, dass es eine Notwendigkeit für einen rechtlichen Rahmen gibt, mit einheitlichen Spielregeln, um wichtige Anliegen zu schützen. Beispiele sind der Daten- und der Verbraucherschutz. Wichtig ist die Ausgewogenheit der Vorschriften und ihre harmonisierte Anwendung, sowohl in der EU als auch global. Zu viel Regulierung sowie eine uneinheitliche Rechtsanwendung können wie ein Hemmschuh für die notwendige digitale Transformation in Deutschland, aber auch für Innovationen, gerade im Bereich künstlicher Intelligenz, sein. Für uns ist es essenziell, im Dialog zu bleiben, gerade auch was die einheitliche Rechtsanwendung der jüngsten EU-Gesetzgebung anbelangt. Vor allem meine Kolleginnen und Kollegen aus unserem Government Affairs Team arbeiten daran, Entscheidungsträgern den Blickwinkel der Industrie nahezulegen, und Verständnis zu schaffen für die technologischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge, die durchaus komplex sind.
Um noch einmal mit einem konkreten Beispiel nachzuhaken: Vermissen Sie nicht bei der KI-Verordnung den Bezug zur Praxis und die stärkere Gewichtung auf Chancen statt auf Risiken?
Nur einheitliche Spielregeln schaffen es, dass eine Vertrauensbasis für die Nutzung Künstlicher Intelligenz geschaffen wird. Das ist wichtig, damit das langfristige Vertrauen in die Technologie nicht durch unethische oder anderweitig schädliche KI-Produkte verloren geht. Insofern sind Mindeststandards sowie der risikobasierte Ansatz der KI-Verordnung sinnvoll. Die damit erzielte Balance muss jetzt auch in den über 60 weiteren untergesetzlichen Normen, Leitlinien und Praxishilfen, die unter der KI-Verordnung noch zu entwickeln sind, erhalten bleiben. Denn jetzt kommt das „Aber“: Es ist wünschenswert, global einheitliche Standards zu haben und diese auch in einigermaßen vergleichbarer Geschwindigkeit zu erreichen. Wir entwickeln unsere Produkte für den Weltmarkt und nicht für lokale Märkte. Den internationalen Kontext aus den Augen zu verlieren, bedeutet Wettbewerbsnachteile zu schaffen. Und: Die Umsetzung darf für Unternehmen nicht zur ausufernden Bürde werden. Wir kommen damit zurecht, sehen aber gerade bei kleineren und mittelständischen Unternehmen, dass sie damit zu kämpfen haben und Hilfestellungen brauchen.
Wie anstrengend ist es für ein Unternehmen wie Microsoft, auch bei den Wettbewerbshütern und Kartellbehörden so im Fokus zu stehen, wie es aktuell der Fall ist?
Das Recht muss sich weiterentwickeln, um die Wirklichkeit abzubilden. Im Digitalbereich hat das mit dem DMA und den Änderungen im GWB zu gesetzgeberischen Anpassungen geführt, die das Ziel haben, die spezifischen Dynamiken digitaler Plattformen besser aufgreifen zu können. Das Interessante ist, dass die EU mit dem DMA sich dabei eher in Richtung klassischer, direkt wirkender Regulierung bewegt, während der nationale Gesetzgeber mit den Änderungen im GWB bewusst in der Tradition des klassischen Wettbewerbsrechts bleibt. Egal in welcher dieser beiden Logiken wir uns bewegen: Als Microsoft ist uns sehr daran gelegen, transparent und kooperativ mit den Behörden zusammenarbeiten, Bedenken proaktiv zu adressieren und Lösungen zu suchen. Wir haben auch in jüngerer Zeit in mehreren Fällen gezeigt, dass dies möglich ist. Und wir sind sehr bestrebt, uns auch auf prinzipieller Ebene mit Fragen des Wettbewerbsumfelds zu befassen, etwa im Rahmen unserer AI-Access-Prinzipien, die wir 2024 veröffentlich haben.
■ Das Gespräch führte Alexander Pradka
Einblicke …
War ihr Berufswunsch schon immer Jurist?
Man hat ja zunächst immer nur gewisse Assoziationen und recht grobe Vorstellungen von der beruflichen Zukunft. Das Thema Recht hat mich schon immer interessiert. Zwischendurch habe ich ganz kurz mit Psychologie geliebäugelt. Etwa in Verhandlungssituationen mag es da heute durchaus gewisse Überschneidungen geben.
Wenn man Sie nicht bei der Arbeit antrifft, wo dann?
Ich bin ein passionierter Tennisspieler und deshalb finden Sie mich, wann immer es möglich ist, auf dem Tennisplatz. Ich spiele in einem Team und bestreite immer noch Wettkämpfe. Dabei habe ich das Glück, dass ich meine Familie, das heißt meine Frau und meine beiden Kinder, von diesem Sport begeistern konnte und wir alle sehr aktiv sind.
Was ist Ihre bevorzugte Literatur?
Der Schwerpunkt liegt klar auf der Sach- und Fachliteratur. Wenig
überraschend habe ich zuletzt viel zum Thema Künstliche Intelligenz
gelesen. Mich interessieren aber auch Bücher zu Managementthemen, aber auch Geschichte, Sport und Biografien sind dabei. Ich versuche aber, dass jedes dritte oder vierte Buch eines aus der Belletristik ist.
Vom Lesen zum Hören: Was ist Ihr bevorzugter Musikstil?
Rock und Pop, das darf durchaus ein bisschen älter sein. Das ist wenig fancy, aber doch fancy genug, dass es nicht jeden Tag im Radio läuft.
Wir wissen, den perfekten Tag gibt es nicht. Wie sieht denn der fast perfekte Tag aus?
Der würde auf jeden Fall mit Sport beginnen, dann käme ein ausgiebiges Familienfrühstück. Einen freien Tag würde ich mit der Familie und Freunden fortsetzen, am liebsten auf dem Tennisplatz, gerne aber auch in den Bergen oder an den Seen im Münchener Umland. Am Abend darf es gerne ein schönes, gemeinsames Essen sein. Beruflich freue ich mich, wenn es menschliche Begegnungen gibt und aus der Interaktion ein greifbares Ergebnis entsteht.
Dr. Michael Dorner, Head of Legal bei Microsoft Germany
Vor seiner Tätigkeit bei Microsoft war Dr. Michael Dorner für rund fünf Jahre als Senior Lead Counsel Germany bei Cisco beschäftigt. Den Schritt in ein US-basiertes, global tätiges Unternehmen bezeichnet er als entscheidend für die Erweiterung des wirtschaftskulturellen Horizonts und insofern als grundlegend für seine jetzige Position. Die Jahre sind seinen Angaben nach prägend und sehr gut gewesen. Er verfügt über langjährige Sozietätserfahrung aus seiner knapp acht-
jährigen Rechtsanwaltstätigkeit mit Schwerpunkt IT-und Datenrecht bei CMS Deutschland. Dort konnte er unter anderem seine wissenschaftliche Forschung aus seiner Zeit beim Max-Planck-Institut für Wettbewerb und Innovation in die Zukunftsthemen der Rechtspraxis einbringen. Fast zweieinhalb Jahre währte seine Forschungszeit dort. Michael Dorner veröffentlicht seit Jahren regelmäßig Aufsätze und Buchbeiträge über Digitalisierung, IT- und Datenrecht.
Das Interview führte Alexander Pradka