„Aufgrund der Regelungsdichte wird es für In-house Counsel immer wichtiger, Dinge zu antizipieren und entsprechend vorzubereiten.“

Sozietät, Verband, Unternehmen – Daniel van Geerenstein hat viele Facetten des Juristendaseins erlebt und mitgestaltet. Im Gespräch ist ihm die Freude an der Arbeit für eine bekannte Marke anzumerken, auch wenn sie viele Herausforderungen mit sich bringt. Daniel van Geerenstein, Head of Legal, Jack Wolfskin
vom 9. Mai 2025
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Was liegt beim Head of Legal von Jack Wolfskin aktuell auf dem Schreibtisch? Mit welchen Themen beschäftigt sich das Team?

Wir haben ein Daily Business, einen bunten Blumenstrauß, von A wie Allgemeinen Geschäftsbedingungen bis Z wie Zivilprozessrecht. Wir beschäftigen uns mit mietvertragsrechtlichen Themen für unsere Stores, aber auch Marketingkampagnen oder Fragen rund um unsere Zulieferer. Dazu kommen internationale Vertriebsangelegenheiten wie Franchise- oder Handelsvertreter-Verträge. Und es gibt langfristigere Projekte, etwa die Erfüllung der Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes. Viele Ressourcen bindet auch das Hin und Her mit den Berichtspflichten. Sind wir betroffen? Was müssen wir liefern? Etwas ärgerlich ist es schon, weil wir viel vorbereitet haben und jetzt erst mal aus den Verpflichtungen rausfallen. Ein wichtiges Thema bleibt der Datenschutz, auch weil das Marketing und die Kollegen und Kolleginnen im E-Commerce neue Dinge anstoßen, die wir uns intensiv anschauen müssen. Ich denke, Rechtsabteilungen haben heutzutage generell viel damit zu tun, dass sie die enorme Regulierung im Blick behalten müssen. Ein branchenspezifisches Beispiel sind die gestiegenen Anforderungen im Zusammenhang mit Green Claims. Jack Wolfskin agiert zwar sehr zurückhaltend im Außenauftritt, dennoch müssen wir uns hier permanent absichern. Labels und Kampagnen werden lange im Voraus geplant und wenn nun eine neue Vorschrift etwas verbietet, müssen wir rasch darauf reagieren können.  

 

Auch im Rechtsmarkt ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz mittlerweile ein beherrschendes Thema. Wie geht Ihr damit um?

Das rührt daher, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen immer mehr leisten müssen. Wir haben eine KI an Bord geholt, konkret Noxtua. Erste Prüfungen von Data Processing Agreements bekommt diese schon sehr gut hin. Was uns früher eine Stunde gekostet hat, ist jetzt in 30 Sekunden erledigt. Den Einsatz wollen wir Schritt für Schritt ausbauen, in erster Linie, um Zeit einzusparen und die Effizienz unserer Arbeit zu steigern. Das proben wir auch gerade mit FYNK im Rahmen des Vertragsmanagements.

 

Der Name Jack Wolfskin ist sehr eng mit Outdoor-Aktivitäten verbunden. Nachhaltigkeit spielt da eine sehr große Rolle, das fängt schon bei den verwendeten Materialien an. Wie sehr bist Du hier eingebunden?

Federführend beschäftigt sich unser eigens dafür eingerichtete Sustainability-Team damit. Immer wichtiger wird in dem Zusammenhang die Circularity und das Thema Reparaturen. Stark vorangetrieben hat Jack Wolfskin die Herstellung unter Verzicht auf per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, die PFAS. Wir sind eines der ersten Unternehmen, die das geschafft hat, sogar bei den Schuhen. Die Rechtsabteilung begleitet diese Prozesse, insbesondere wenn es um die Öffentlichkeitsarbeit geht. Da lobe ich aber gerne unser Sustainability-Team, das ist sehr geerdet und macht einen Superjob. Niemand tritt als Lautsprecher auf – das erleichtert uns Juristen die Arbeit. 

 

Jack Wolfskin hat weltweit 450 Stores und rund 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Bereich Recht ist dafür recht klein – insgesamt 25 Anwältinnen und Anwälte sowie Paralegals, in Deutschland agiert Ihr zu zweit. Wie schafft Ihr es, die Fülle an Aufgaben zu bewältigen?

Fest etabliert ist der risikobasierte Ansatz, ohne Priorisierung und Fokussierung würde das System nicht funktionieren. Wir sind in der Lage, die Felder, die unserer sofortigen Aufmerksamkeit bedürfen, schnell zu identifizieren und zu bearbeiten. Ob ein Risiko größer oder kleiner ist, hängt nicht immer mit der Höhe von Geldbeträgen zusammen. Nehmen wir das Beispiel exklusive Lizenzen, welche nicht zwingend einen konkreten Geldbetrag nennen, gleichwohl aber sehr wichtig sein können. Generell gilt die Prämisse, dass es keine unwichtigen Angelegenheiten gibt und auch im Zusammenhang mit dem lokalen Fensterreinigungsvertrag bei unseren Stores kann sich ein Jurist grundsätzlich austoben. Vertrag ist Vertrag und das gehört zum Bereich Legal. Dennoch müssen wir da einen pragmatischen Ansatz haben und können dort keinen Riesenaufwand betreiben. Es ist überdies hilfreich, die Businesspartner und Storemanager zu emanzipieren und ihnen ein Plus an Verantwortung zu übertragen. Das wertet deren Arbeit auf. Das Prinzip hat sich bewährt und die Rechtsabteilung geht vor allem bei den problematischen Fällen in eine tiefere Prüfung beziehungsweise dann, wenn es Unklarheiten gibt. 

 

Budgets sinken, Anforderungen wachsen. Inwiefern verändert das die Zusammenarbeit zwischen Rechtsabteilung und externen Sozietäten?

Die Erwartungshaltung ist eine andere geworden. Im Idealfall kann eine Kanzlei bei den von mir beauftragten Spezialfällen allein laufen und ich bekomme eine sehr präzise Antwort, so lang wie nötig, so kurz wie möglich. Wenn ich erst viele Möglichkeiten abwägen oder einen langwierigen Frage-Antwort-Zyklus durchlaufen muss, ist das für mich eher ungeeignet. Die Geschäftsleitung möchte auch von mir eine klare Ansage und nicht die ganze Vielfalt an Möglichkeiten. Diesen Anspruch gebe ich weiter. Ein zweiter Punkt ist die Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort beziehungsweise der entscheidenden Stellen: Wenn ich für unseren CFO in Polen unsere neue Einheit eintragen lasse, machen das unsere Anwälte vor Ort. Dann bekomme ich einen Tag später alle notwendigen Dokumente und meine Aufgabe beschränkt sich darauf, den Vorgang der Geschäftsführung zur Unterschrift vorzulegen. Das ist das, was ich unter einem pragmatischen Lösungsansatz verstehe. 

 

Welche Rolle spielt die Marke „Jack Wolfskin“ für Dich?

Sie hat einen großen Einfluss. Ich mag die Produkte, die das Unternehmen herstellt, mit einem Großteil davon identifiziere ich mich. Und ich bin von der Qualität überzeugt. Im Consumerbereich ist es schön, wenn ich rausgehe und sehe, dass die Menschen unsere Sachen tragen – und im besten Fall auch gerne tragen. Es bewegt mich positiv zu wissen, dass ich für das ein oder andere Produkt den Zulieferervertrag ausgehandelt habe, das stellt eine besondere Verbindung her. Dazu kommt, dass der persönliche Impact groß ist. Der Jurist hat bei Jack Wolfskin die Möglichkeit, das Unternehmen mitzusteuern. Es wird zwar auch verlangt, dass Du diese Steuerungsfunktion übernimmst, gleichzeitig ist das aber eine große Motivation. ■  Das Gespräch führte Alexander Pradka

Einblicke … 

War Dein Berufswunsch schon immer Jurist?

Längere Zeit hatte ich vor, Psychologie zu studieren. Mein Großonkel war Professor an der Psychiatrie an der Universitätsklinik in Frankfurt und hat immer sehr spannende Geschichten erzählt. In der Oberstufe an meinem Wirtschaftsgymnasium hatte ich Rechtskunde, das hat mich fasziniert. Ich dachte auch, die Juristen reden etwas weniger als die Psychologen und Psychiater – gut, das war eine Fehleinschätzung (lacht). Das Studium selbst hat mich weniger begeistert, die ersten Praktika bei den Kanzleien haben das Feuer dann aber endgültig entfacht. 

 

Wenn wir Dich nicht bei der Arbeit antreffen, wo dann? Wie verbringst Du gerne Deine Freizeit?

Im Moment ist das größte Hobby tatsächlich meine Familie. Die Zeit ist sehr eingeschränkt und die Freizeit verbringe ich am liebsten mit ihr – das heißt mit meiner Frau und meinem Sohn, der gerade fünf geworden ist. Er besucht aktuell den Schwimmunterricht, spielt aktiv Fußball. Wenn es geht, versuche ich selbst noch etwas Sport zu machen.

 

Was ist Deine bevorzugte Literatur?

Im Moment ist das die Kinderliteratur, die ich meinem Sohn vorlese (lacht). Meine Frau amüsiert sich sehr, wenn sie in das Kinderzimmer kommt, um nach uns zu schauen, der Sohn ist wach und ich bin wieder mal über dem Buch eingeschlafen.

 

Vom Lesen zum Hören: Welche Musik lenkt Dich ab?

Ich höre sehr viel Popmusik, nichts Anspruchsvolles. In letzter Zeit habe ich allerdings den alten deutschen Rap wieder für mich entdeckt, also Fettes Brot, Rödelheim Hartreim Projekt. Die Texte waren doch echt gut. 

 

Den perfekten Tag gibt es nicht. Wie sieht für Dich der fast perfekte Tag aus?

Den hatte ich in unserem Winterurlaub: In aller Abgeschiedenheit mit Blick auf die Berge aufwachen, Sonnenschein und frische Bergluft, ein gutes Frühstück mit der Familie, mit meinem Sohn Ski fahren und ohne Knochenbrüche ankommen, anschließend Einkehr mit einem guten Essen – und den Abend am Feuer ausklingen lassen, der Sohn mit Kakao, meine Frau mit einem leichten Wein und ich mit einem Craft-Beer; das ist, was ich mir unter einem schönen Tag vorstelle.  

Kurzvita

Gut zweieinhalb Jahre ist Daniel van Geerenstein bei Jack Wolfskin. Angefangen hat er dort im Oktober 2022 als Director Legal, seit Mai 2023 trägt er die Position des Head of Legal/Vice President. Außerdem ist er Prokurist für die Gesellschaften und Supervisor für China. Vor seiner Zeit bei Jack Wolfskin war van Geerenstein nebenbei elfeinhalb Jahre in einer Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt am Main tätig. Auch die Verbandsarbeit kennt er gut: neuneinhalb Jahre lang arbeitete er für den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), zunächst als Legal Counsel, später als Deputy Head of Legal. 2025 schaffte es van Geerenstein in die Legal 500 General Counsel Germany Powerlist. Die externe Anerkennung freut ihn, weil „wir Unternehmensjuristen noch immer ein wenig eine Backoffice-Funktion ausfüllen und es die Wahrnehmung steigert“. 

 

Das Interview führte Alexander Pradka

Beitrag von Alexander Pradka

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