Von einer Umgehung des Aufsichtsrats ist dringend abzuraten
Geschäfte zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Aufsichtsratsmitglied sind mit Vorsicht zu genießen. Der Gesetzgeber sieht für solche Verträge, die die Parteien in der Praxis oft über „Beratungsdienstleistungen“ abschließen, eine Genehmigungspflicht seitens des Aufsichtsrats vor. Wie ist das nun, wenn die AG den Vertrag nicht unmittelbar mit dem Aufsichtsratsmitglied selbst schließt, sondern mit einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter es ist?
Mit den §§ 114 und 115 des Aktiengesetzes will der Gesetzgeber verhindern, dass „gemauschelt“ wird und Aufsichtsratsmitglieder ohne weiteres Verträge abschließen können, die außerhalb ihrer Tätigkeit als Aufsichtsrat liegen. Würde hier keine Prüf- und Genehmigungspflicht des Aufsichtsrats bestehen, wäre dem Missbrauch von Position und Stellung Tür und Tor geöffnet. Es ließen sich munter Dienstleistungs- und Werkverträge abschließen und fleißig Geld verdienen. Verboten sind diese Geschäfte indes nicht – das würde wiederum zu weit gehen.
Vertrag mit anderer Gesellschaft
Komplizierter gelagert ist nun der Fall, wenn der Vorstand einer Aktiengesellschaft einen solchen Vertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied selbst schließt, sondern mit einer anderen juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist. Anders als in § 115 Abs. 3 Satz 1 AktG, wo es um die Gewährung von Krediten an Aufsichtsratsmitglieder geht, regelt § 114 Abs. 1 AktG diesen Fall für „normale“ Geschäfte nicht. Daraus schließt so mancher, dass der dann eben auch nicht umfasst ist und es keiner Genehmigung bedarf. Der Gesetzgeber hätte doch wohl in aufeinanderfolgenden Paragrafen eine dementsprechende Regelung nicht „vergessen“. Der Bundesgerichtshof sieht das anders und wendet die genannten Vorschriften analog an.
Wirtschaftliche Betrachtung entscheidend
In dem betreffenden Fall streitet die AG mit einem Aufsichtsratsmitglied über die Rückgewährung von Geldern, die sie an die Firma entrichtet hat, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist. Dem Aufsichtsrat wurden die zugrundeliegenden Vereinbarungen nicht vorgelegt. Der BGH bejaht die Rückzahlungspflicht. Entscheidend ist für ihn die wirtschaftliche Betrachtung sowie Sinn und Zweck der Regelungen. Auch wenn das Geld nicht unmittelbar an das Aufsichtsratsmitglied gezahlt wurde, so hat es doch ein wirtschaftliches Interesse daran, dass „sein“ Betrieb Einnahmen generiert und möglichst Gewinne macht. § 113 AktG regelt außerdem, dass Satzung oder Hauptversammlung über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder entscheiden. Und der Zweck des § 114 AktG besteht darin, die Umgehung des § 113 AktG zu verhindern, so der BGH.
Mittelbare Zuwendungen
„Der Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, soll diesem zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der Aktiengesellschaft an einzelne Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand zu verhindern“, heißt es in der Urteilsbegründung. Diese Kontrolle sei auch geboten, wenn der Vertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern mit einer Gesellschaft geschlossen wird, „deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer das Aufsichtsratsmitglied ist oder an der das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, und ihm dadurch mittelbare Zuwendungen zufließen.“
„Verflechtungen“ verhindern
Der BGH sieht die Gefahr, die in besonderen Beraterbeziehungen zwischen Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern steckt. Er spricht in seiner Urteilsbegründung wörtlich von möglichen „Verflechtungen“, die Einfluss auf die Ausübung der Überwachungstätigkeit haben können. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei es geboten, dass das Bestehen derartiger Verträge gegenüber dem Aufsichtsrat offengelegt und ihre Wirksamkeit von seiner Zustimmung abhängig gemacht werden. Besonders bitter für das Aufsichtsratsmitglied ist nun, dass es gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG Anspruchsgegner ist und damit die Rückzahlungspflicht trägt. Das kann im Einzelfall böse enden. (BGH Urteil vom 29. Juni 2021, II ZR 75/20) Bildnachweise: © Romain V on Unspleash