Ein unrühmlicher Abgang Wer muss eigentlich was beweisen, wenn eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihr Geschäftsführer über die Verletzung von Sorgfalts- und Obliegenheitspflichten streiten? Und wie weit reicht die Auskunftspflicht des Geschäftsführers? Zu diesen Aspekten hat der BGH eine Entscheidung getroffen.
Ein für die Beteiligten unangenehmer Fall: Eine GmbH behauptet, dass ihr ehemaliger alleiniger Geschäftsführer „ihren Geschäftsbetrieb ohne Kompensation und Zustimmung der Gesellschafterversammlung auf Wettbewerber übertragen“ hat. Im Kern geht es um eine Mitarbeiterversammlung in den Räumlichkeiten der GmbH, in der die Planungen von Wettbewerbern und die des Geschäftsführers präsentiert wurden. In Einzelgesprächen soll außerdem den Mitarbeitern der GmbH nahegelegt worden sein, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen. Die Konkurrenz hat den Abschluss von Arbeitsverhältnissen zu den gleichen Konditionen in Aussicht gestellt. Nicht zuletzt soll der ehemalige Geschäftsführer Kunden zu Wettbewerbern gelotst haben.
Vorinstanzen lehnen Ansprüche ab
Die GmbH begehrt Auskunft und Schadensersatz von ihrem ehemaligen Geschäftsführer. Spannend ist der Fall, weil es hier um den Umfang von Beweispflichten geht – sowie um die Frage, ob ein Auskunftsanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer besteht, wenn dieser bereits ausgeschieden ist. Sowohl das Landgericht Darmstadt als auch das Oberlandesgericht in Frankfurt haben die Ansprüche der GmbH verneint. Der Bundesgerichtshof sieht das anders (22.06.2021, II ZR 140/20).
§ 43 GmbHG
Im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer trägt die Gesellschaft die Beweislast nur dafür, „dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist – § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Geschäftsführer wiederum muss darlegen – und gegebenenfalls beweisen – dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist, ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.
Alles nur Vermutungen?
Das Oberlandesgericht nahm nun an, dass es Aufgabe der Gesellschaft ist darzulegen, ob und auf welche Art der Geschäftsführer an der Mitarbeiterversammlung beteiligt war oder ob er Kenntnis davon hatte. Falsch, sagt der BGH: Das „überspannt“ die Anforderungen an das Parteivorbringen. Er war alleiniger Geschäftsführer der GmbH und bei der Mitarbeiterversammlung sei es um Umstände aus seinem Einflussbereich gegangen. Die Gesellschaft darf sogar ihre Behauptungen auf „vermutete Tatsachen“ stützen, wenn es dafür greifbare Anhaltspunkte gilt.
Ungleiche Maßstäbe
Nur „willkürlich aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ darf nicht behauptet werden. Gleiches gilt im Zusammenhang mit der Aussage, der ehemalige Geschäftsführer habe Kunden der Konkurrenz zugeführt. Dem Vorwurf begegnete dieser, dass die Gesellschaft nicht genügend Mitarbeiter gehabt habe, um die Aufträge zu erfüllen. Das ließen die Vorinstanzen gelten und vermissten einen konkreten Vortrag zu einem vorwerfbaren Verhalten des Geschäftsführers.
Auskunftsanspruch gegen ausgeschiedenen Geschäftsführer
Und der Auskunftsanspruch? Den bejaht der BGH: Der Anspruch ergibt sich aus § 666 BGB, in Verbindung mit den §§ 675, 611 BGB. Er besteht auch nach der Abberufung und Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages fort. Allerdings ist er nicht unbeschränkt. Der Anspruch ist laut BGH abhängig vom Auftrag beziehungsweise Geschäftsbesorgungsvertrag, dessen Absicherung er dient. Die Auskunftspflicht hängt vom Informationsbedürfnis der Gesellschaft ab, bei einem vorbereitenden Auskunftsanspruch vom „Aufklärungsbedürfnis zur Geltendmachung eventueller Hauptansprüche“. Ein solches Interesse ergibt sich aus dem „begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung“ und der „Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens“.Bildnachweise: © Unspleash / Andrea Natali