Der sozialversicherungsunwillige Geschäftsführer

Nur wer umfassend die Geschicke einer GmbH mitbestimmen kann, übt als Geschäftsführer eine selbstständige Tätigkeit aus und entkommt der Versicherungspflicht in gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung. Maßgeblich sind dabei die Gesellschafterstellung und die sich daraus ergebende Befugnis, auf Beschlüsse der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. So urteilt das Bundessozialgericht.
vom 18. Februar 2022
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Der sozialversicherungsunwillige GeschäftsführerNur wer umfassend die Geschicke einer GmbH mitbestimmen kann, übt als Geschäftsführer eine selbstständige Tätigkeit aus und entkommt der Versicherungspflicht in gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung. Maßgeblich sind dabei die Gesellschafterstellung und die sich daraus ergebende Befugnis, auf Beschlüsse der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. So urteilt das Bundessozialgericht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund hatte die Versicherungspflicht des Geschäftsführers einer GmbH festgestellt. Der ist als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Kapitalanteil von 49 Prozent an der GmbH beteiligt. Mehrheitsgesellschafterin ist eine andere GmbH, an der jener keine Kapitalanteile hält. Er ist dort auch nicht Geschäftsführer. Der Gesellschaftsvertrag sieht für ihn ein Sonderrecht vor, für die Dauer der Beteiligung einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer zu sein oder einen solchen zu benennen.
 

Verstoß gegen § 7 SGB IV?

Beschlüsse fasst die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit. Das gilt auch für die notwendige Zustimmung zu Handlungen der Geschäftsführung, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Nur in bestimmten Angelegenheiten bedarf es der Dreiviertelmehrheit. Diese sind im Gesellschaftsvertrag näher bestimmt, dazu gehört etwa die Änderung des Gesellschaftsvertrages selbst. Geschäftsführer und GmbH vertreten die Meinung, dass er als Selbstständiger tätig ist. Die Vorgehensweise der Deutschen Rentenversicherung Bund verstoße daher gegen § 7 SGB IV. Dort findet sich die Definition des Begriffes „Beschäftigung“ als nichtselbstständige Tätigkeit. Entscheidende Aspekte sind Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin.
 

Keine echte Sperrminorität

Das Sozialgericht Leipzig und das Sächsische Landessozialgericht entsprachen der Ansicht der Rentenversicherung, das Bundessozialgericht stimmt dem auf Revision des Geschäftsführers und der GmbH zu. Die für einen Minderheitsgesellschafter erforderliche „echte“, die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität räumt der Gesellschaftsvertrag nicht ein. Das dem Geschäftsführer eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung ändert daran nichts: Es verhindere zwar seine jederzeitige Abberufung und schränke womöglich Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung ein. Es übertrage aber nicht die Gestaltungsmacht, kraft derer er auf alle Gesellschafterentscheidungen – und damit auf die Unternehmenspolitik – Einfluss nehmen könnte, so der erkennende Senat.
 

Sonderstellung ändert nichts

Daran ändere eine mögliche Interpretation des Sonderrechts dahingehend, dass sich der Geschäftsführer sanktionslos weisungswidrig verhalten könnte, nichts. Diese „Unrechtsmacht“ wäre nicht geeignet, satzungsrechtliche Mehrheitsverhältnisse zu verschieben. Und: Der auf wichtige Gründe beschränkte Widerruf der Geschäftsführerbestellung vermag eine durch den Gesellschaftsvertrag bereits eingeräumte Rechtsmacht zwar nicht infrage zu stellen, kann diese aber auch nicht begründen.
(BSG, B 12 KR 37/19R)Bildnachweise: © Unsplash / Hunters Race

Beitrag von Alexander Pradka

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