Zum Thema passt ein Fall, den das Landgericht Koblenz Ende des letzten Jahres zu entscheiden hatte. Da ging es um die Rückabwerbung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zunächst von einem zum anderen Arbeitgeber und dann wieder zurück wechselten, einige von ihnen sogar vor dem Eintrittsdatum. Kündigungen waren dem Wortlaut, dem Aufbau und der Form nach gleich. Der Vorwurf des betroffenen Unternehmens lautete auf „konzertiertes und koordiniertes“ Vorgehen – der frühere Arbeitgeber habe den wechselwilligen Angestellten eine kostenfreie Rechtsberatung durch einen externen Rechtsanwalt zukommen lassen und eine Prämienzahlung versprochen, wenn sie vom Wechsel Abstand nehmen würden. Für die betroffene Partei mag das unschön sein – und mit entsprechendem Aufwand verbunden, wieder neue Leute suchen zu müssen. Ein lauterkeitswidriges Verhalten erkannte das Landgericht Koblenz jedoch nicht und wies den Antrag auf einstweilige Verfügung dementsprechend zurück. „Es ist völlig korrekt, dass Abwerbungen von Arbeitnehmern grundsätzlich von der Freiheit des Wettbewerbs gedeckt und somit zulässig sind“, sagt Thomas Fuhrmann, auf den gewerblichen Rechtsschutz spezialisierter Rechtsanwalt bei CMS Deutschland. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sieht eine Unzulässigkeit nur dann vor, wenn “besondere Umstände” eintreten, sodass eine „gezielte Behinderung“ im Sinne des § 4 Nr. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der anwerbende Arbeitgeber verwerfliche Zwecke verfolgt oder verwerfliche Mittel oder Methoden anwendet. „Zur Feststellung der Unlauterbarkeit einer konkreten Abwehrmaßnahme bedarf es jedoch stets einer Gesamtabwägung der Interessen des abwerbenden und des anwerbenden Unternehmens, des Mitarbeiters und der Allgemeinheit“, so Fuhrmann weiter. Er verweist auf die Rechtsprechung, die inzwischen „eine gewisse Kasuistik“ herausgebildet habe. Ein verwerflicher Zweck kann danach insbesondere dann vorliegen, wenn die Abwerbung zielgerichtet mit dem Zweck erfolgt, den Mitbewerber zu schädigen und dadurch zu behindern. Als verwerfliche Mittel und Methoden gelten etwa das Verleiten zum Vertragsbruch oder die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmenden – etwa durch Druck oder Täuschung. Eine Doppelbeschäftigung fällt indes nur dann in diese Kategorie, wenn weitere die Unlauterbarkeit begründende Umstände hinzutreten. „Das kann beispielsweise beim Ausnutzen oder Weiterleiten von Ressourcen des alten Arbeitgebers der Fall sein“, konkretisiert der CMS-Anwalt. Auch der Einsatz von Headhuntern kann im Einzelfall unlauter sein, wenn die eingesetzten Mittel und Methoden des Headhunters eine Unlauterbarkeit begründen. „Das kann zum Beispiel beim Aufsuchen des Umworbenen in seiner Privatwohnung oder am aktuellen Arbeitsplatz der Fall sein“, berichtet Fuhrmann. „Bei Anrufen kann die Verschleierung der Identität oder das Umwerben bei der ersten Kontaktaufnahme am Diensttelefon auf eine Unlauterbarkeit schließen lassen – im Gegensatz zur bloßen Kontaktaufnahme mit Rückrufbitte.“ Ein Indiz für die Wettbewerbswidrigkeit kann laut Bundesgerichtshof sein, dass dieses erste Telefonat länger als nur wenige Gesprächsminuten andauert.

„Absprachen zwischen Wettbewerbern, die das Unterlassen der Abwerbung von Arbeitnehmern des Konkurrenten zum Inhalt haben, sind rechtlich grundsätzlich nicht durchsetzbar und unter Umständen sogar nichtig.“
Thomas Fuhrmann
Rechtsanwalt und Spezialist für gewerblichen Rechtsschutz,
CMS Deutschland
Strenge Voraussetzungen beim Wettbewerbsverbot
Apropos Indiz: Das geschädigte Unternehmen trägt grundsätzlich die Beweislast, wenn es die Unlauterkeit der Abwerbung anprangert. „In der Praxis können sich daraus erhebliche Hürden ergeben“, warnt Fuhrmann. „Insbesondere wenn die abgeworbenen Mitarbeiter bereits beim Abwerber beschäftigt sind und eine Rückkehr nicht geplant ist: Dann sind sie meist nicht bereit, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen.“ Im Koblenzer Fall war es dem betroffenen Unternehmen nicht gelungen, eine im Raum stehende Verleitung zum Vertragsbruch hinreichend glaubhaft zu machen. Nicht rechtswidrig war, dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung zu helfen, selbst die Angelobung einer Prämie war nicht wettbewerbswidrig. Etwas anderes könnte gelten, wenn über die Verhältnisse im geschädigten Unternehmen getäuscht wird. „Es kommt in der Praxis nicht selten vor, dass auf die abgeworbenen Arbeitnehmer Druck ausgeübt wird. Man teilt ihnen etwa wahrheitswidrig mit, dass ihr bisheriger Arbeitgeber insolvent sei und sie nicht länger beschäftigen könne. Den Arbeitnehmern wird suggeriert, dass sie künftig keinen Job mehr haben“, berichtet Fuhrmann. Stellt sich die Frage, wie sich Unternehmen und ihre Rechtsabteilungen vor Abwerbemaßnahmen schützen können. Im Idealfall sorgt die eigene Attraktivität dafür, dass es mit der Wechselabsicht nicht weit her ist. Den Arbeitnehmer treffen im Arbeitsverhältnis nebenvertragliche Loyalitäts- und Treuepflichten. Fuhrmann: „Daraus ergibt sich ein umfassendes Wettbewerbsverbot, das sowohl die eigene Aufnahme eigener konkurrierender Tätigkeiten als auch das Abwerben von Kollegen für Mitbewerber umfasst.“ Allerdings: Scheidet ein Arbeitnehmer aus, erlischt grundsätzlich auch das Wettbewerbsverbot. Ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens kann der nun ehemalige Arbeitnehmer ungehindert in Konkurrenz treten. „Das sollte in der Praxis insbesondere bei fristlosen Kündigungen bedacht werden“, so Fuhrmann. Es besteht die Möglichkeit, dass die Parteien auch für die Zeit nach dem Ende des gemeinsamen Wirkens ein sogenanntes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren. Der CMS-Experte weist in dem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass das Handelsgesetzbuch grundsätzlich dafür eine Entschädigungspflicht vorsieht und dass dieses Verbot nur einen zeitlich eingeschränkten Schutz bietet, der zwei Jahre nicht überschreiten darf. „Ganz zu schweigen von den zusätzlichen formellen Voraussetzungen, denen ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot unterliegt.“ Unternehmen können mit ihren Angestellten im Allgemeinen auch nachvertragliche Abwerbeverbote hinsichtlich fremdnütziger Abwerbungen zugunsten Dritter vereinbaren. „Diese können in der Regel rechtlich bindend für eine Dauer von zwei Jahren nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers vereinbart werden und unterliegen grundsätzlich auch keiner allgemeinen Entschädigungspflicht, da sie den Arbeitnehmer meist nicht in seinem beruflichen Fortkommen behindern“, stellt Fuhrmann klar. Diese Verpflichtungen könnten an eine Vertragsstrafe gekoppelt werden, wobei die arbeits- und AGB-rechtlichen Besonderheiten bei der Gestaltung wirksamer Vertragsstrafen zu beachten seien.
■ Alexander Pradka